: Es war einmal im Iran
„A Utopian Stage“ im Weddinger Kunstraum SAVVY Contemporary lässt im Rahmen von MaerzMusik das visionäre iranische „Festival of Arts“ (1967–77) von Schiras wieder aufleben
Von Thomas Mauch
Das mit der Kontemplation und dem Kunstgenuss ist so eine Sache in dieser Ausstellung. Wenn man zum Beispiel bei einem Fernsehmitschnitt einfach mal ein paar Sekunden lang hören möchte, wie wundervoll Ravi Shankar die Sitar zu spielen versteht, so ist der indische Musiker zwar durchaus zu hören – im Kopfhörer aber mischt sich sein Spiel mit den vielen anderen Tonspuren in den Räumlichkeiten, dass man eigentlich nur eine stark indisch gewürzte und sonst dunkel pochende Klangwolke am Ohr hat.
Wahrscheinlich ist diese Kollision sogar ganz bewusst eingerichtet und damit gewollt bei der „A Utopian Stage“-Schau im Savvy Contemporary im Silent Green. Als Anregung vielleicht, das Knäuel der Töne zu entwirren und den einzelnen Spuren nachzugehen – in diesem Fall wären das etwa ein Trommelensemble aus Ruanda oder ein balinesisches Gamelankonzert. Oder um einfach die Gleichzeitigkeit anzuzeigen. Und damit sich die unterschiedlichen Kulturtraditionen nicht einfach hübsch aneinanderschmiegen, wenn es da mal zu einem Austausch kommt.
Der Austausch von Kreativität und Wissen aber ist das Leitmotiv dieser Schau. Und zwar der Austausch im Echoraum einer internationalen Moderne, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs auch dort Fuß fasste, wo man in den postkolonialen Zeiten von einer europäischen Hegemonie nicht nur politisch nicht mehr so viel wissen wollte.
Eine Plattform für solch einen kulturellen Dialog mit explizit experimenteller Note war das „Festival of Arts“, das von 1967 bis 1977 in Schiras und vor den Ruinen von Persepolis stattfand. Das erste und einzige Festival für moderne Kunst im Iran. Das Mullahregime wollte darin später nur noch Dekadenz und Blasphemie sehen.
Dieses Festival wird nun in der Schau „A Utopian Stage“ als Fallbeispiel durchgearbeitet. Eine Menge zu gucken gibt es da, eine Menge zu hören und eine Menge zu entdecken beim Streifzug durch die Ausstellung mit den historischen Fotos, den Büchern, Broschüren, Zeitungsartikeln, Plakaten und Videos von all dem, was da bei dem iranischen Festival passierte. Eine Überfülle, die selbst mit einem sehr breit angelegten Allgemeinwissen kaum zu bewältigen ist. Papiere mit den nötigen Fingerzeigen und Erklärungen liegen bei der Schau zwar aus, lesbar allerdings sind sie in den abgedunkelten Räumlichkeiten kaum.
Reichtum der Weltkunst
Aber vielleicht muss man das alles so präzise gar nicht wissen. Vielleicht soll man nur mal staunen angesichts des Reichtums der Weltkunst. Wobei bei diesem experimentellen Wissensaustausch doch auch zu sehen ist, dass die Avantgarde etwa in Person der Komponisten John Cage, Karlheinz Stockhausen oder Iannis Xenakis aus dem Westen zu dem Festival im Iran anreiste. Von anderswoher war dann die mehr traditionelle und folkloristische Kunst geladen.
Zumindest eine Fußnote wert gewesen wäre bei dieser an Verweisen reichen Schau auch der Vermerk, dass in den 60er und 70er Jahren gerade Autokraten (wie der Schah im Iran) sich und der Welt ihre Modernität mit solchen Festivals versicherten.
Aber auch ohne diesen historischen Strang darf man, um die Schau in ihrer Fülle auch nur annähernd zu würdigen, reichlich Lebenszeit investieren. Wer dann noch Puste hat, kann gleich nebenan in der Betonhalle des Silent Green mit „Tele-Visions“ (bis 31. März) stundenlang begucken, was da in den Fernseharchiven alles über die musikalische Avantgarde zu finden war.
Einfach mal schnell Info abgreifen ist nicht bei diesen Ausstellungen, die beide im Rahmen der Maerzmusik stattfinden. Da braucht es den langen Atem bei dem experimentellen Spielplatz: Ein „Festival für Zeitfragen“ will er ja sein.
A Utopian Stage: SAVVY Contemporary, Plantagenstr. 31, bis 27. April, Do.–So. 14–19 Uhr
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen