: Hauptschule auf Abstellgleis
Immer weniger Schüler werden Hauptschüler. Erste Schulschließungen drohen. Lehrerverbände fordern nun eine neue Gesamtschule. Das Land will jedoch lieber die gute alte Volksschule stärken
VON UTA BAIER UND MAREN MEIßNER
Für die NRW-Schulministerin haben Hauptschulen Zukunft: „Nach Jahren der Vernachlässigung soll die Hauptschule endlich wieder eine wichtige Rolle spielen“, sagt Barbara Sommer (CDU; Kasten). Doch Eltern und Schüler sehen das anders: Mit dem heutigen Schuljahrstart lernen nur noch 272.000 SchülerInnen an der Hauptschule; ein Rückgang von 4,2 Prozent. Gründe für den Rückgang sind die demografische Entwicklungen wie das Image des Abschlusses. Wird der Abwärtstrend nicht gestoppt, droht vielen Hauptschulen in NRW mittelfristig die Schließung.
Eine Entwicklung, die auch die Lehrerverbände GEW (Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft) und VBE (Verband Bildung und Erziehungen) mit Sorge sehen. Ilse Führer-Lehner, Bildungsreferentin bei der GEW, sieht die Gründe vor allem im schlechten Image des Hauptschulabschlusses: „Die Eltern wissen, dass ihre Kinder damit später wenig Chancen haben“. Auf die schlechten Berufschancen für HauptschulabgängerInnen weist Christel Jungmann, Bildungsreferentin beim VBE, hin. Die niedrigen Anmeldezahlen bei Hauptschulen seien eben „gezeigter Elternwille“.
Diese Erfahrung macht auch Hubert Funke, stellvertretender Konrektor der Dortmunder Hauptschule ‚Am Ostpark‘ immer wieder: „Die meisten Eltern denken falsch und glauben, dass sie ihrem Kind einen Riesengefallen tun, wenn sie es auf die Realschule schicken.“ Mit dem Erfolg, dass diese Kinder spätestens in der achten Klasse auf die Hauptschule wechseln müssten. Für ihn sind verbindliche Schulempfehlungen der GrundschullehrerInnen ein Lösung. Für die Hauptschulen könne das „Bestand erhaltend“ seien.
Den Lehrerverbänden geht das nicht weit genug. Dem VBE schwebt deshalb das Modell der Allgemeinen Sekundarschule vor. Hierbei wird das bisherige dreigliedrige Schulsystem „unter einem Dach“ zusammengeführt. Die SchülerInnen lernen in den Klassen fünf bis zehn mehr oder weniger gemeinsam. Die Ausgestaltung des Modells richtet sich nach örtlichen Gegebenheiten. Deshalb sind Verknüpfungen zwischen den Schulformen ebenso möglich wie die vollständige Integration von Hauptschule, Realschule und Gymnasium in einer Art „Gesamtschule“. So müsse keine Hauptschule schließen und man könne vor allem mit den veränderten demografischen Bedingungen besser umgehen, sagt VBE-Referentin Jungmann. Wichtig sei, dass ein durchlässiges, flexibles System geschaffen werde, das die Schüler nicht auf eine der Schulformen festlege.
Ähnliche Forderungen stellt auch die GEW, sie propagiert das Modell der Gesamtschule als „Schule für alle Kinder“. Die Dreigliedrigkeit der Schulformen solle ganz abgeschafft werden.
Ob sich die Verbände mit ihren Forderungen bei der Landesregierung durchsetzen, ist jedoch fraglich: In den Koalitionsvereinbarungen ist von der Weiterentwicklung des „gegliederten, begabungsgerechten Schulsystems“ die Rede – schlechte Chancen für die Verbandsforderungen.