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Archiv-Artikel

Migranten meiden Ordnungshüter-Karriere

Berlin versuchte als erstes Bundesland schon frühzeitig, Migranten für den Polizeidienst zu werben. Dennoch gibt es derzeit nur rund 200 Polizeibeamte nichtdeutscher Herkunft. Das Hauptproblem sind mangelnde Sprachkenntnisse

Hätte die Brandkatastrophe in der Moabiter Ufnaustraße verhindert werden können, wenn fremdsprachige Polizei- und Feuerwehrleute den Bewohnern des Hauses die nötigen Sicherheitshinweise in deren Muttersprache gegeben hätten? Nach dem schrecklichen Ereignis wurde diese – eigentlich absurde – Frage heftig diskutiert.

Wenn nun im nächsten Jahr der Ausbildungsstopp bei der Berliner Polizei aufgehoben wird und erstmals nach zwei Jahren Abstinenz wieder neue Auszubildende in die Polizeischulen in Spandau und Friedrichsfelde einrücken werden, sollen nach dem Willen von Innensenator Ehrhart Körting (SPD) „10 Prozent aller Auszubildenden im Polizeidienst künftig Migranten sein“. Mindestens 20 sollen es 2006 sein, im Folgejahr dann 40. Vor allem Türkisch, Arabisch und Serbokroatisch sprechende Jugendliche hat der Senator dabei im Blick.

Der Gedanke ist nicht neu. Als erstes Bundesland entschied sich die Berliner Polizei bereits 1988 grundsätzlich dafür, auch nichtdeutsche Jugendliche zu Ordnungshütern auszubilden. Einen generellen Beschluss zu solcher Selbstverständlichkeit fasste die Innenministerkonferenz der Bundesländer erst im Mai 1993.

Trotz der frühen Berliner Öffnung traten bis zum Jahre 1993 indes nur insgesamt 36 ausländisch-stämmige junge Männer und Frauen eine Ausbildung bei der Polizei an. Rund die Hälfte von ihnen schloss sie allerdings nicht ab. Mit mehr als 50 Prozent lag die Abbrecherquote der Nichtdeutschen damit damals doppelt so hoch wie bei deutschen Auszubildenden.

Für die gesamte Bundesrepublik sah die Situation noch trüber aus. Bei den Polizeien von Bund und Ländern waren bis zum Herbst 1994 insgesamt nur 1.600 Bewerbungen von Interessenten mit einem Migrationshintergrund eingegangen. Lediglich 141 waren anschließend auch in die Ausbildung übernommen worden, die meisten davon in Berlin.

Diese Zahlenunterschiede führen zu den Problemen, die sich bei der wünschenswerten Anwerbung von Migranten für den Polizeidienst stellen. Mehr noch als beim deutschstämmigen Nachwuchs fehlen ihnen oft die notwendigen deutschen Sprachkenntnisse – in Wort und Schrift. Laut Studien kommen häufig weitere Schwierigkeiten in der eigenen Familie hinzu, die dem Berufswunsch des Sohnes oder der Tochter ablehnend gegenübersteht. Und als ob dies nicht reichte, sehen sich die angehenden Jungpolizisten nicht selten auch in ihrem Freundeskreis als „Verräter“ beschimpft.

Werden diese Probleme gemeistert, kommt mit dem erfolgreichen Ausbildungsende die nächste Hürde. Um in den aktiven Polizeidienst übernommen zu werden, müssen die Jugendlichen die deutsche Staatsbürgerschaft annehmen. Ein Schritt, der zumindest in der Vergangenheit für nicht wenige zu groß war.

Zumindest die sprachlichen „Mängel“ sollen mittlerweile nach Ansicht von Innensenator Körting künftig durch muttersprachliches Können ausgeglichen werden können. Schon aus Gründen der gesellschaftlichen Teilhabe wäre die Einstellung von Migranten in die Polizei zweifellos zu begrüßen. Ob die von Innensenator und Polizeiführung geplanten Einstellungserleichterungen allein aber ausreichen werden, den Eintritt in den Polizeidienst für sie attraktiver zu machen, muss als fraglich gelten.

Rund 200 der insgesamt etwa 16.000 Berliner Polizisten, so schätzt die Innenverwaltung stammen derzeit aus Migrantenfamilien. Nach siebzehn Jahren ist das nicht gerade viel. Zumindest in einem Falle aber ist der berufliche Werdegang einer Polizistin bekannt. Als erste türkischstämmige Beamtin erhielt Tülin U. im Oktober 1984 vom damaligen Polizeipräsidenten Klaus Hübner ihre Ernennungsurkunde zur Kriminalkommissarin. Sie arbeitet noch heute im Landeskriminalamt.

OTTO DIEDERICHS