: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Der Weltjugendtag hat schlaglichtartig einen neuen Standortvorteil Kölns beleuchtet: Die Stadt mit dem Dom kann Stampeden in den Geschmacksrichtungen betrunken, schwul und katholisch bewältigen
taz: Was war schlecht in der letzten Woche?
Friedrich Küppersbusch: Kein Durchkommen ins Büro, Köln komplett zugefrömmelt.
Was wird besser in dieser?
Köln kann jetzt Stampeden in den Geschmacksrichtungen betrunken, schwul und katholisch. Standortvorteil.
Merkel hat ihr Kompetenzteam vorgestellt – alles unter Vorbehalt, weil niemand weiß, was Stoiber will. Trotzdem zeigt dieses Team, wohin die Kandidatin will – Richtung Neoliberalismus. Stimmt das?
Stoiber will Außenamt und Vizekanzlerschaft. Dies schafft er nur mit einer absoluten Mehrheit für die Union und einem entscheidenden CSU-Anteil – weshalb er gern auch mal rein bayerisch durch die Debatten irrlichtert. Merkels Szenario dagegen entspricht eher den umgefragten Realitäten – Schwarz-Gelb und CSU mit Beckstein und Hasselfeld. Stoiber wird dann aus München auf alles schießen, was merzt, und da stellt ihm Merkel schon mal einen weniger angreifbaren Neo, also Kirchhof, hin.
Wird Paul Kirchhof Finanzminister – oder ein Lexikoneintrag in der Reihe „gescheiterte Quereinsteiger in der deutschen Politik“?
Wie wär’s mit dem bisherigen Rezept: Beides! Finanzminister werden und scheitern, wie zuvor Waigel und Eichel auch. Nachdem Kirchhof „50 Prozent seiner Vorstellungen im Unions-Wahlprogramm wiederfindet“, ist aber auch die Tür offen, wegen der fehlenden 50 Prozent am Wahlabend den Stollmann zu machen und nicht anzutreten.
Mittwoch treffen sich Union und FDP. Müssen die Liberalen eigentlich noch Angst haben, dass ihr am Ende Leihstimmen der Union fehlen werden, weil viele die große Koalition für möglich halten und ihre Stimme nicht verschenken wollen?
Die FDP muss das Maul weit aufreißen und anschließend froh sein, von Merkel mit ein paar Girlandenressorts abgespeist zu werden. Warum redet niemand von der abgründigen Performance der Möllebangehaussmänner, die im Wirtschaftsressort munter vor sich hin versagten? Üblicherweise wird die FDP von einer unter 5 Prozent großen Wirtschaftssekte gewählt, und dann kommen ein paar Stimmen hinzu, die nicht ihr gelten, sondern der Dämpfung ihrer jeweiligen Koalitionspartner. Dafür reicht’s auch diesmal.
Irgendwie hat die Union in den letzten paar Wochen vergeigt, was zu vergeigen war – von Schönbohms Ostbashing über Stoibers Zickerei bis zu Merkels Brutto-Netto-Lapsus. Geschadet hat es ihr in den Umfragen nicht ernstlich. Warum?
Entlang der Lehrformel, dass die Deutschen keine neue Regierung wählen, sondern wenn, dann eine alte Regierung abwählen, ist das leicht erklärt. Dynamik wird der Restwahlkampf also nicht von weiteren Pirouetten der Union bekommen – allein das Zerfleddern Kirchhofs müsste sie sonst schon zwei, drei Prozente kosten. Sondern von, wenn ihm denn etwas einfällt: Schröder.
Eine Mehrheit hat Schwarz-Gelb wahrscheinlich, ein Programm – weniger Sozialstaat, weniger Gewerkschaftsmacht, mehr Deregulierung – auch. Und wie steht es mit Geist, Moral und den Werten? Oder reicht die Hoffnung, ökonomisch erfolgreich zu sein, neuerdings als Sinnstiftung für die Konservativen aus?
Durch die Vergötzung betriebswirtschaftlicher Meinungen zu quasi naturreligiösen Axiomen scheint der Sinnstiftungsbedarf vieler schon erfüllt: „Am Ende entscheidet der Markt.“ Und: Da Rot-Grün bei der Liberalisierung der Gesellschaft nebenher wirklich etwas geleistet hat und schon zu doof ist, dies zum Thema zu machen, ist die Union gut beraten, sich auf die Schwachpunkte der Regierung zu konzentrieren.
Wie klingt für Sie der „Tagesschau“-Satz „Bundeskanzlerin Merkel hat in Washington Präsident Bush der vollen Unterstützung der deutschen Regierung versichert“? Beängstigend? Gewöhnungsbedürftig?
Damals musste ich bei „In Bonn hat Bundeskanzler Helmut …“ Schmidt? Nö: „… Kohl erklärt ...“ – schmunzeln. Es hatte etwas vom Putsch des Provinziellen. Das Konnotat von „… Merkel“ hat, zugegeben: vor dem Schuss, etwas eher Eisiges für mich.
Am Samstag veranstaltet die PDS ihren Wahlparteitag. Die Linkspartei ist seit Lafontaines Einstieg im Aufwind. Ist das eher Hype, ein medialer Effekt, der sich aus einem Oberflächenreiz speist? Oder formiert sich da links eine ernst zu nehmende neue Organisation?
Die USPD brachte es Anfang der 20er auf Gleichstand mit der SPD, so weit wird die nur national bedingte Linkspartei nicht kommen. In der Opposition wird die SPD den längeren Atem haben, zumal der aktuelle Effekt rein biografisch bedingt ist: Lafontaine, Gysi. Und was dann?
Und was macht die deutsche Fußballnationalmannschaft, nachdem sie von Holland eine Halbzeit lang platt gewalzt wurde?
Wäre doch possierlich, wenn sich an die Epoche der „German Angst“ eine heitere des „The Deutsche Dusel“ anschlösse, mal so als Leitkultur. FRAGEN: SR