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Archiv-Artikel

Atom-Renaissance im Osten

Bulgarien will Atomkraftwerke bauen, die mit veralteter Technik auskommen. Doch Umweltschützer, die sich gegen die Reaktoren wehren, leben ziemlich gefährlich

SVIŠTOV taz ■ Widerstand gegen den Bau von Atomreaktoren kann gefährlich sein. Das bekommt zurzeit die 41-jährige Bulgarin Albena Simeonova zu spüren. Die Biobäuerin wehrt sich gegen den Bau von zwei Reaktoren nahe der Stadt Belene an der Donau – gut zehn Kilometer von ihrem Hof entfernt. Nun wird sie bedroht.

Ende Juli konnte einer ihrer Leibwächter verhindern, dass sie von einem Auto überfahren wurde. Eine Woche später entfernten Unbekannte die Schrauben an einem der Räder ihres Autos; zum Glück wurde das rechtzeitig erkannt. Hinter den Anschlägen steckten Betriebe, die vom Bau profitieren, glaubt Simeonova.

Es geht um viel Geld. Die Fertigstellung der zwei Leichtwasserreaktoren russischen Typs soll rund 3 Milliarden Euro kosten, ab 2012 sollen sie Elektrizität liefern. Es wäre der zweite Nuklearpark Bulgariens – der erste liegt ebenfalls an der Donau, 200 Kilometer weiter westlich bei Kozluduj. Das Belene-Projekt sei heller Wahnsinn, meint Albena Simeonova: „Das Gebiet ist erdbebengefährdet.“ Beim letzten Beben im Jahr 1977 stürzten etliche Häuser ein, und allein in der benachbarten Universitätsstadt Svištov starben 200 Menschen.

Jan Haverkamp, Atomexperte von Greenpeace Zentral- und Osteuropa, ist sich sicher, dass diese Reaktoren in Deutschland niemals zugelassen würden: „Sie entsprechen dem letzten Kernkraftwerk, das in der DDR in Stendal geplant wurde und dessen Fertigstellung deutsche Fachleute aufgrund von Sicherheitsmängeln untersagten.“

Auch energiepolitisch könne das Land auf das atomare Abenteuer verzichten, ergänzt Petko Kovachev vom Zentrum für Umweltinformation und -bildung in Sofia. „Nach OECD-Angaben ist die Energieeffizienz Bulgariens rund neunmal schlechter als in den 15 alten EU-Staaten.“ Mit anderen Worten: Durch Investitionen in moderne Industrieanlagen und besser gedämmte Häuser könnte das Land auf Kernkraft verzichten. Außerdem sei Südosteuropa ein idealer Standort für Wind- oder Solarenergie.

Die Bevölkerung jedoch steht hinter den Bauplänen: Vier von fünf Bulgaren sind von der Kernenergie überzeugt. „Das liegt an der langjährigen Propaganda“, sagt Jan Haverkamp. Die bulgarische Regierung will Ende des Jahres entscheiden, welche Firma den Zuschlag für den Bau erhält.

Haverkamp glaubt dennoch, die Belene-Reaktoren noch verhindern zu können – und zwar aus finanziellen Gründen. „Um wirtschaftlich arbeiten zu können, bräuchten die Betreiber Kreditgarantien aus Sofia oder Brüssel.“ Und bei den offenen Fragen etwa zur Sicherheit sei unklar, ob sie die auch bekommen. So hofft Bulgarien zwar auf Euratom-Kredite, hat offiziell aber noch gar nicht angefragt.

Auch vor Ort wird weiter gekämpft. Albena Simeonova: „Ich habe zwar Angst, denn ich habe ein Kind und einen alten Vater – aber ich bin nicht ängstlich.“ Auf die neuerdings in Sofia regierende Mitte-links-Koalition setzt sie wenig Hoffnung. Denn Rumen Ovcharov, der neue Energie- und Wirtschaftsminister, hat früher selber im Nuklearpark Kozluduj gearbeitet. RALPH AHRENS