Schule hat begonnen. Mit Wal-Mart-Boykott

US-Gewerkschaften fordern Eltern aus Protest gegen Mini-Löhne auf, keine Schulsachen im Superstore zu kaufen

ST. PAUL taz ■ Gewerkschaftsführer aus allen Ländern treffen sich Ende dieser Woche in Chicago, um eine gemeinsame Strategie gegen Wal-Mart zu planen. Der größte Einzelhandelskonzern der USA und das umsatzstärkste Unternehmen der Welt, das weltweit 1,6 Millionen Menschen beschäftigt und in Deutschland zuletzt im März mit einem Flirtverbot für Mitarbeiter in die Schlagzeilen kam, versucht mit allen Mitteln und oft erfolgreich, gewerkschaftliche Aktivitäten in seinen rund 4.300 Märkten zu verhindern.

Im Fokus der Arbeitnehmervertreter sollen in dieser Woche insbesondere Deutschland, Großbritannien, Argentinien und Brasilien stehen – durchweg Länder, in denen die Gewerkschaften allerdings bereits einen Fuß in der Tür der Wal-Mart-Supercenter haben

In den USA, dem Kernland des Einkaufsgiganten, haben sich jetzt auch branchenfremde Gewerkschaften dem von der US-Handelsgewerkschaft UFCW initiierten Protest angeschlossen. In der vergangenen Woche riefen die beiden größten Lehrergewerkschaften des Landes in 30 Städten des Landes zum Boykott auf: Eltern sollten Schulsachen für ihre Kinder nicht bei Wal-Mart kaufen und so ihren Protest gegen ein Unternehmen ausdrücken, das seine Angestellten zu Niedriglöhnen beschäftigt und häufig noch nicht einmal Kranken- oder Rentenversicherung bezahlt.

Doch ohne die Mitfinanzierung der Kranken- und Rentenversicherung durch den Arbeitgeber können sich viele US-Amerikaner die soziale Absicherung nicht leisten – schon gar nicht bei den Wal-Mart-Löhnen

Der Schulanfangs-Boykott ist dabei keine hohle symbolische Geste, sondern kann Wal-Mart richtig weh tun: Voraussichtlich 48 Milliarden Dollar werden die Amerikaner in diesem Jahr für so genannte Back-to-School-Produkte ausgeben. – Nur in der Weihnachtszeit wird noch mehr konsumiert.

Wal-Mart spricht im Gegenzug von einer „Verleumdungskampagne“ und verweist auf seine vielen wohltätigen Spenden an Schulen oder Universitäten. Der Konzern unterstellt den Gewerkschaften, insbesondere der UFCW, einen Rachefeldzug, „weil unsere Mitarbeiter Bemühungen, sie gewerkschaftlich zu organisieren, immer wieder abgelehnt haben“, sagte ein Sprecher des Einkaufsriesen.

Auf seiner Homepage erklärt das Unternehmen, es stelle für knapp die Hälfte seiner 1,2 Millionen US-Mitarbeiter eine Krankenversicherung zur Verfügung. Eine vom US-Repräsentantenhaus in Auftrag gegebene Studie hatte jüngst ergeben, dass die öffentliche Hand jährlich 1,5 Milliarden Dollar für Arztbesuche und Krankenhausaufenthalte, Essenszuschüsse und Wohngeld für nicht genügend abgesicherte Wal-Mart-Beschäftigte ausgibt.

SUSANNE GIEFFERS