: Merkel nimmt Steuerruder in die Hand
Die Kanzlerkandidatin zieht Unionssteuer dem Modell ihres Finanzexperten Paul Kirchhof vor: Spitzensteuersatz 39 und nicht 25 Prozent. Ehemaliger Verfassungsrichter hat dennoch gute Chancen, tatsächlich Bundesfinanzminister zu werden
VON CHRISTIAN FÜLLER
Der mögliche neue Finanzminister Paul Kirchhof wird seine Einfachsteuer höchstens schrittweise umsetzen können. In Interviews sagte der Exverfassungsrichter, dass ab Januar 2007 zunächst zahlreiche Steuerprivilegien wegfallen sollten. Erst danach werde sein Modell eines generellen Steuersatzes von 25 Prozent für alle anwendbar sein.
Die Unions-Kanzlerkandidatin Angela Merkel erklärte, Kirchhof sei ihr Wunschkandidat für den Posten des Finanzministers – bremste aber zugleich seinen Ehrgeiz. Konzept ihrer Regierung sei nicht das Kirchhof’sche 25-Prozent-Modell, sondern das der Union. Darin ist vorgesehen, den Eingangssteuersatz auf 12 und den Spitzensteuersatz auf 39 Prozent zu senken. Ein einheitlicher Einkommenssteuersatz, wie ihn Kirchhof vorschlage, sei „mit unserem Regierungsprogramm so jetzt nicht umsetzbar“, sagte Merkels Wahlkampfmanager Volker Kauder.
Die Äußerungen lassen auch erkennen, wie eine Regierung unter Angela Merkel Steuerversprechen und Haushaltskonsolidierung unter einen Hut bekommen könnte: In einem ersten Schritt werden die Steuertarife (12 Prozent/39 Prozent) aus dem Unionsprogramm verwirklicht. Zugleich werden viele Ausnahmen zur Steuerminderung beseitigt, der Kandidat fürs Finanzministerium sprach von 418 Tatbeständen, mit denen vor allem Gutverdienende ihre Steuerpflicht verkürzen. Das brächte dem Staat unterm Strich Mehreinnahmen – und würde dem vorige Woche ins Unions-Kompetenzteam berufenen Kirchhof Luft lassen für seine Generalüberholung des deutschen Steuersystems. Der Heidelberger Steuerexperte will alle Einkommen einheitlich mit 25 Prozent besteuern; für Geringverdiener soll es ermäßigte Steuersätze von 15 und 20 Prozent geben.
Kirchhof machte im Spiegel deutlich, dass er selbstverständlich an seinem Konzept festhalte – „aber ebenso selbstverständlich ist auch: Ich stehe hinter dem Regierungsprogramm der Union.“ Er zeigte sich auch im Detail kompromissbereit – etwa bei der Pendlerpauschale: „Sie bleibt, wird aber abgesenkt“, sagte der ehemalige Verfassungsrichter. Bisher hatte es bei ihm geheißen, die Pendlerpauschale werde ersatzlos gestrichen.
In Unionskreisen wurde auch hinter den Kulissen versichert, dass Kirchhof der aussichtsreichste Kandidat fürs Bundesfinanzministerium sei. In der Fraktionsspitze hieß es übereinstimmend, Kirchhof sei als „Fleisch gewordenes Reformversprechen“ eine „sich selbst erfüllende Prophezeiung“. Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber meide das Finanzministerium.
Auch sei Kirchhofs konservative Haltung kein Problem, „denn er wird ja Finanzminister und nicht Werteminister“, so ein einflussreiches Mitglied des Bundestages. Auch Kirchhof wies Rollenzuschreibungen zurück: „Ich bin für Kinder“, sagt er in einem Interview, aber „die Eheleute müssen selber entscheiden, wie sie die Rollen verteilen“.
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