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Erholungskur in Niedersachsen

Die hannoversche Filmemacherin Valesca Peters hat mit „Helmut Berger, meine Mutter und ich“ einen sehr familiären Dokumentarfilm über den Schauspieler gedreht

Von Wilfried Hippen

Bettina Vorndamme, die Mutter der Filmemacherin Valesca Peters, war entsetzt: Den Schauspieler Helmut Berger hatte sie immer gerne gesehen, doch als sie ihn googelte, sah sie, wie er in den Medien und auf Youtube als ein durchgeknallter Greis verspottet wurde, der nach ihrer Meinung „krank war und missbraucht wurde“. Und wenn sich die niedersächsische Hausfrau über etwas ärgert, dann macht sie was dagegen. Der Mann müsse etwas für sich tun: Etwa wieder in einem Film auftreten. Und ihre Tochter könnte den dann ja drehen.

Gesagt, getan! Zuerst nahm Valesca Peters diesen Plan ihrer Mutter nicht ernst. Es war ja nicht der erste gewesen. Aber dann rief sie Helmut Berger tatsächlich in seinem Haus in Salzburg an. Die beiden verstanden sich und schon waren Tochter und Mutter auf dem Weg nach Paris, um Helmut Berger zu treffen und Aufnahmen zu machen.

Einen Spielfilm, zu dem sie selber dann auch noch das Drehbuch schreiben wollte, konnte sie ihrer Mutter gerade noch ausreden. Aber einen Dokumentarfilm konnte sie sich und den beiden zutrauen – auch wenn dies ihr erster langer Film werden würde.

Berger sieht in diesen ersten Aufnahmen und denen von einem wenig späteren Besuch bei ihm daheim in Salzburg wirklich nicht gut aus. Also verordnet seine neue Freundin ihm eine längerer Erholungskur bei ihr zu Hause in Nordsehl, Landkreis Schaumburg. Schnell wird er dort aufgepeppelt und bringt sich auf einem extra dafür angeschafften Hometrainer im sommerlichen Garten in Form.

Das alles mit der Kamera zu dokumentieren, ist ja noch relativ einfach. Doch Valesca Peters muss zum einen eine Form finden, um Helmut Berger filmisch gerecht zu werden – und ihre eigene Rolle bei diesem Projekt ist hochkompliziert und widersprüchlich. „Ich war Regisseurin, Protagonistin, Tochter und Editorin in einer Person“, sagt Peters. „Es fühlte sich teilweise so an, als würde nicht ich eine Geschichte erzählen, sondern als würde sich eine Geschichte in mein Leben drängen.“

Wenn sie beiläufig das alltägliche Leben mit ihm filmte, war Berger natürlich, freundlich und manchmal auch rührend dankbar für die Aufmerksamkeit dieser norddeutschen Frauen. Die Oma, die nur ein paar Häuser weiter wohnt, kam bald auch noch dazu. Doch wenn er spürte, dass da ein Film gemacht wurde, dann wurde er zum Schauspieler und diesen Panzer konnte Valesca Peters nicht knacken. Ohne Kamera konnte er unverkrampft von sich und seinem Leben erzählen, vor der Kamera spielt er unter eigener Regie Helmut Berger – und das ist keine von seinen guten Rollen.

Also musste Valesca Peters ihn inszenieren und fand dafür einige interessante Kunstgriffe. So nahm sie die Aufnahmen von seinen Gesprächen mit ihr, transkribierte sie und ließ sie von Berger vorlesen. Die offensichtlich inszenierten Szenen verfremdete sie außerdem dadurch, dass sie sie in Schwarz-Weiß aufnahm.

So interviewt Berger sich etwa in einer Sequenz selber: Nach links gewandt als die Parodie eines ignoranten, selbstgefälligen Journalisten, im Gegenschuss nach rechts gewandt als alles mit aristokratischer Würde ertragender Helmut Berger. Beide Bergers schauen sich dabei eine Szene aus seinem Spielfilm „Das Bildnis des Dorian Grey“ an. Anders als in der Geschichte von Oscar Wilde ist nun Berger im Bildnis Film ewig jung und in der Realität gealtert.

In einer anderen Sequenz wird deutlich, wie untrennbar sein Leben und seine Rollen für Berger waren. Sein Vater sei „kein liebevoller Mann“ gewesen, sagt er. Als Burt Lancaster ihn als sein Vater in Viscontis „Gewalt und Leidenschaft“ vor dem Schlafen zugedeckt habe, sei das eine Geste gewesen, wie er sie sich immer von seinem realen Vater gewünscht habe.

Berger ist launisch, unberechenbar – und er trinkt viel. Davon kann ihn auch eine Hypnosetherapie nicht abbringen

Peters arbeitet auch mit Archivmaterial, allerdings sparsam und oft lässt sie Berger diese Aufnahmen selber ansehen. Seine Reaktionen darauf sind dann das wirklich Interessante. „Fuck you!“, sagt er etwa in einem Interview kurz nach dem Tod seines Förderers und Lebensgefährten Luchino Visconti zu einem aufdringlichen Journalisten. „Richtig!“, antwortet er sichtlich stolz auf sein früheres Ich.

In der niedersächsischen Provinz geht es Berger zunehmend besser, aber er kann „seine erste deutsche Freundin“ auch gehörig nerven. Einmal ist sie kurz davor, ihn in ein Flugzeug zurück nach Salzburg zu schicken. Die nächtliche telefonische Krisensitzung erleben wir im Bett der Regisseurin mit. Berger ist launisch, unberechenbar – und er trinkt viel. Davon kann ihn auch die Hypnosetherapie eines Psychiaters in Berlin nicht abbringen. Aber einen wirklichen Absturz hat Berger (zumindest im Film) nicht.

Er ist sogar so fit, dass er ein Angebot von der Berliner Volksbühne bekommt, zum ersten Mal Theater zu spielen. Die Motivation des Intendanten Chris Dercon bei der ersten Inszenierung nach dem Abgang von Frank Castorf mag dabei nicht ganz koscher gewesen sein. Berger sollte wohl eher als Skandalnudel verheizt werden.

Aber der Film zeigt, wie ernst er die Sache nimmt. Schafft er es oder nicht? Peters’Mutter war allerdings kurz vor der Generalprobe abgereist. Aber ihre Mission hatte sie ja auch mit Bravour erfüllt: Helmut Berger geht es wieder gut, es gibt einen Film, in dem er liebevoll als ein alterskluger, selbstironischer Künstler porträtiert wird. Und ihre Tochter hat tatsächlich ihren ersten langen Film gedreht.

„Helmut Berger, meine Mutter und ich“: 7. bis 13. 3., Metropolis, Hamburg, und Universum, Braunschweig (am 7. 3. mit Regisseurin Valesca Peters)

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