portrait : Immer Frieden im Marschgepäck
„Sie konnte zuletzt ja nicht mehr wandern“, sagt Franz-Ferdinand Friedrich. Die Rede ist von seiner Mutter und ihren Protestwanderungen durch die Kyritz-Ruppiner Heide. Annemarie Friedrich ist nach einer Operation nicht mehr aufgewacht und am Freitag 85-jährig verstorben.
Als „Großmutter der Freien Heide“ ist die Brandenburgerin bekannt geworden, als Frau mit Grundsätzen, für die sie bis ins hohe Alter gestritten hat. Wegen ebendieser Grundsätze ist sie vor zwei Jahren aus der SPD ausgetreten. Weil ihr Genosse Peter Struck damals als Verteidigungsminister die sofortige Nutzung der Heide als Truppenübungsplatz durchdrücken wollte. Das hat sie persönlich genommen. „Der hat mir 1992, noch als einfacher Abgeordneter, in die Hand versprochen, sich für unsere Sache einzusetzen“, sagte sie damals empört.
Die „Sache“, die BI, die Annemarie Friedrich 1992 mit gegründet hat, kämpft für die zivile Nutzung der Kyritz-Ruppiner Heide. Das 142 Quadratkilometer große Gebiet wurde nach 1945 von der russischen Armee als Übungsgelände genutzt: als Bombenabwurf-, Panzer-, Raketen- und Luftwaffenübungsplatz. Nach 1989 sollte hier die Natur endlich wieder zu sich kommen, ein Naturschutzgebiet entstehen. Sanfter Tourismus schlägt heute in der Region Wurzeln.
Die BI, vergleichbar der X-tausendmal-quer-Bewegung im Landkreis Lüchow-Dannenberg, ist heute bundesweit bekannt für ihren fantasievollen Protest, auch für den traditionellen Friedensmarsch am Ostersonntag, zu dem in diesem Jahr 10.000 Menschen in die Freie Heide kamen. Da war Annemarie Friedrich schon sehr krank, berichtet ihr Sohn.
Wahrscheinlich hätte sie auch persönlich genommen, wie gerade dieser Tage wieder mal das Thema Bombodrom genutzt wird: Wolfgang Schäuble, Mitglied in Angela Merkels Kompetenzteam, hat versprochen, eine unionsgeführte Bundesregierung würde die militärische Nutzung der Heide „überprüfen“. Gesagt hat Schäuble das auf einer CDU-Wahlkampfveranstaltung. In diesem parteitaktischen Stil – je nach Oppositionslage – wird die Heimat von Frau Friedrich seit 13 Jahren verhandelt.
Damals, 1992, sagte die ehemalige Lehrerin: „Wenn ich eines Tages zu meinen Enkeln sagen kann: Nehmen wir die Räder und fahren in unsere Heide, die dann wirklich frei ist, das wäre das Schönste.“ Wirklich frei hat sie ihre Heide nicht mehr erlebt.
Jetzt ordnen ihre Söhne Hans-Henning und Franz-Ferdinand in ihrem Haus die letzten Dinge. In der kommenden Woche soll Annemarie Friedrich auf dem Dorffriedhof von Flecken Zechlin beigesetzt werden. ANJA MAIER