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Archiv-Artikel

Wenn die Handschrift verloren geht

DRUCKEN UND TIPPEN In der Münchner Akademie der Schönen Künste diskutieren Rafik Schami und andere über das Schreiben nach dem Handschreiben

„Warum es nötig ist, das geläufige Schreiben einer gut lesbaren Handschrift wieder entschieden zu fördern: Dafür wäre ein Entschluss der Kultusminister nötig“

UTE ANDRESEN

Die Zeichen stehen nicht gut für die Handschrift. Der Grundschulverband hat seine Funktionäre eine neue Schrift erfinden lassen, die Schüler selbst zu einer verbundenen Handschrift entwickeln sollen. Und gleichzeitig entwöhnt die Elektronik die Schüler vom Schreiben. Marke: „Papa, gibst du mir dein iPad? Ich möchte Siri gern meine Hausaufgabe diktieren“. Aber was bedeutet der Verlust einer eigenständigen Handschrift?

Das will Ute Andresen, die für die taz eine ganze Serie von Texten zum Verlust der Handschrift publiziert hat („Zurück zur guten Handschrift“ tiny.cc/Handschrift1 und „Die Handschrift ist unersetzbar“ tiny.cc/Handschrift2) am Donnerstag mit den Schriftstellern Rafik Schami und Sibylle Lewitscharoff sowie dem Psychologen Werner Kuhmann diskutieren. Damit gewinnt die Debatte über die Handschrift an Fahrt – denn auch der Bayerische LehrerInnenverband ist dagegen, das Erlernen der gebundenen Handschrift einfach auszusetzen.

Das Geheimnis ist keine simple Nostalgie, sondern die Frage, ob Schüler mit der Schreibschrift mehr verlieren als eine durchaus schwer zu erlernende Schriftform. Die These heißt: Mit dem Aussetzen des Lernprozesses geht der Mangel an Sprachlichkeit und letztlich an Intelligenz einher. Untersuchungen aus den USA zeigen etwa, dass druckende Studenten viel langsamere und einfältigere Essay schreiben als flüssig verbunden Schreibende. Rafik Schami hat immer wieder betont, wie bedeutend für ihn das Schreiben von Texten für das Erlernen der Sprache war. Im „Geheimnis des Kalligraphen“ hat er der schönen Schrift und ihren Wirkungen ein Denkmal gesetzt.

Der Abend wird aber nicht nur ein Parlieren über schöne verlorene Künste werden. Die Regensburger Professorin für Grundschulpädagogik Angela Enders, die sich mit einer Untersuchung über Handschrift habilitiert hat, wird zeigen, wie „Der Verlust von Schriftlichkeit“ in der Schule zustande kommt.

Nach Ansicht der Autorin und Schreiblehrerin Ute Andresen „geht es jetzt darum, zu erkennen, warum es nötig ist, das geläufige Schreiben einer gut lesbaren Handschrift wieder entschieden zu fördern.“ Dafür fordert sie einen Beschluss der Kultusministerkonferenz. taz

■ „Verschwindet die Handschrift? Plädoyer für ein bedrohtes Kulturgut.“ Mit Jochen Meyer, Angela Enders, Rafik Schami, Ute Andresen, Sibylle Lewitscharoff und Werner Kuhmann. Königsbau der Münchener Residenz, 20. 9., 19 Uhr