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Vom Jazzkeller in den grauen Westen

Von „Ostkreuz“ bis „Der Rote Kakadu“: Das Hamburger B-Movie zeigt im März eine Werkschau des Regisseurs Michael Klier

Von Wilfried Hippen

Er ist ein Einzelgänger unter den deutschen Filmemachern, keiner Gruppe und keiner Schule zuzuordnen, auch nicht den Autorenfilmern der 1970er- und 1980er-Jahre, obwohl er, wie Schlöndorff, seine Lehrjahre in den 60ern in Paris verbrachte. Unvergessen bleiben seine Spielfilme „Überall ist es besser, wo wir nicht sind“ (1989) und „Ostkreuz“ (1991). In beiden erzählt er von Emigranten aus den damaligen Ostblockstaaten, die sich im bei ihm gar nicht leuchtenden, sondern eher grauen Westen zurechtfinden müssen.

Im Hamburger B-Movie ist in den kommenden Wochen eine mit elf Veranstaltungen erstaunlich umfangreiche Retrospektive zu sehen. Sie beginnt mit einer Überraschung: In François Truffauts „Die süße Haut“ von 1964 hospitierte Michael Klier zwei Wochen lang auf Einladung von Truffaut bei den Dreharbeiten. Sein Debüt als Regisseur hatte er schon 1963 mit dem Kurzfilm „Probeaufnahmen“, in dem Rolf Zacher in einer Nebenrolle zu sehen ist. Er wird an einem Kurzfilmabend gezeigt, zusammen mit Filmen aus den 60ern mit so schönen Titel wie „Ferrari“ und „Yeah Yeah“ sowie seiner bislang letzten Arbeit, dem knapp zehn Minuten langen „Filmtagebuch“ von 2013.

1983 trat Klier in einer Nebenrolle neben Bruno Ganz als dessen Arbeitskollege in Rudolf Thomes „System ohne Schatten“ auf, im gleichen Jahr drehte er mit „Der Riese“ eine für ihn eher untypische Videodokumentation. Dieses Filmessay bestand nur aus Aufnahmen von Überwachungskameras. Harun Farocki lobte damals, dass es Klier hier gelang, einen Film zu machen, „ohne sich in der üblichen Weise zum Autoren aufwerfen zu müssen“, und entwickelte diese Art von systemkritischer Arbeit dann in seinen eigenen Filmen weiter.

Doch Klier war dann doch mehr an den Menschen als an der Form interessiert und so drehte er zwischen 1986 und 1989 eine Reihe von Interviewfilmen mit Filmemachern wie Jean-Marie Straub, Claude Sautet, Truffaut und dem Kameramann Henri Alekan. Sie werden am 23. März in einem Programm gezeigt, bei dem Klier auch selbst zu Gast sein wird.

1994 inszenierte Klier „Out of America“ mit der Kamerafrau Elfi Mikesch. Er porträtierte darin eine Gruppe von GIs, die nach dem Abzug der Alliierten in Berlin blieben, dort Familien gründeten und gemeinsam Musik machten. Und in Berlin spielt auch Kliers Spielfilm „Heidi M.“, in dem Katrin Sass sich als eine 50-jährige Kioskbesitzerin in den Kneipen und Bars der Stadt auf die Suche nach einem Mann macht.

Am 24. März wird Klier selbst einen „Überraschungsfilm“ vorstellen, den er im vergangenen Jahr fertiggestellt hat und der autobiografisch sein soll. Bei seiner eigenen Biografie bediente sich Klier auch als Drehbuchschreiber für das Liebesdrama „Der Rote Kakadu“, in dem er von einem jungen Mann in der DDR erzählt, der Stammgast im legendären titelgebenden Dresdener Jazzkeller ist.

So, 3. 3., bis So, 31. 3., B-Movie, Hamburg

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