Angekratzte Autorität

Beim Ligapokal-Finale gegen ManCity rebelliert Chelseas Keeper Kepa gegen den umstrittenen Coach Sarri

Not amused: Kepa Arrizabalaga reagiert etwas ungehalten auf das Auswechselwunsch seines Trainers Foto: reuters

Aus London Hendrik Buchheister

Der Sponsor des englischen Ligapokals, ein Getränkehersteller aus Thailand, dürfte sich gefreut haben über das Schauspiel, das kurz vor dem Ende der Verlängerung im Finale zwischen Manchester City und dem FC Chelsea im Londoner Wembley-Stadion zur Aufführung kam. Chelseas Trainer Maurizio Sarri wollte seinen Torwart Kepa Arrizabalaga auswechseln und Ersatzmann Willy Caballero bringen, der drei Jahre zuvor im Ligapokal-Finale zum Helden im Elfmeterschießen geworden war, damals noch in Diensten von Manchester City, als er gegen den FC Liverpool drei Versuche pariert hatte.

Doch Arrizabalaga sah keinen Anlass, den Dienst vorzeitig zu beenden. Er widersetzte sich Sarris Anweisung und blieb auf dem Feld. Caballero, der schon an der Seitenlinie bereit gestanden hatte, nahm wieder auf der Ersatzbank Platz. Die kuriose Szene dauerte zwei, drei Minuten. Die Bilder davon verbreiteten sich in rasendem Tempo im Internet. Immer bestens zu sehen, auf der Werbebande, Chelseas Bank, der elektronischen Auswechseltafel des vierten Offiziellen und der Tür zum Spielertunnel, durch die der wütende Sarri für ein paar Momente verschwand: der Schriftzug des Ligapokal-Sponsors.

Für den Klub aus dem Südwesten Londons und den 60 Jahre alten Übungsleiter aus Italien war die Aktion weniger erfreulich. Sie war noch fataler als die 3:4-Niederlage im Elfmeterschießen. Denn der im Sommer vom SSC Neapel gekommene Sarri steht massiv unter Druck, ihm droht nach nur sieben Monaten bei Chelsea das Aus. Aus den jüngsten vier Spielen in der Premier League gab es drei Niederlagen, unter anderem zwei Wochen vor dem Ligapokal-Finale ein 0:6 bei Manchester City. Im FA-Cup, dem wichtigeren der beiden englischen Pokal-Wettbewerbe, scheiterte Chelsea gerade an Manchester United. In dieser Partie wurde Sarri vom Publikum an der heimischen Stamford Bridge verhöhnt.

Seine Autorität war schon vor dem Finale im Wembley-Stadion angekratzt. Nach dem Zwischenfall mit Arrizabalaga ist Sarris Ansehen komplett zerbröselt. Der Guardian schrieb davon, dass die „Meuterei“ des 24 Jahre alten Torhüters aus Spanien symbolisch für „Sarris sinkendes Schiff“ bei Chelsea sei. Diese Sichtweise drängt sich auf. Da nützt es auch nichts, dass die Beteiligten hinterher versuchten, den gescheiterten Torhütertausch als Missverständnis zu verkaufen.

Sarri war nach eigenen Angaben davon ausgegangen, dass Arrizabalaga wegen eines Krampfes nicht weiterspielen könnte, gab aber zu, sich getäuscht zu haben. Der Torwart erklärte, dass es nicht seine Absicht gewesen sei, „die Anweisungen meines Trainers zu missachten“. Er sprach davon, dass er „vollen Respekt für den Trainer und seine Autorität“ habe. Davon war allerdings nichts zu sehen gewesen, als er mit wilden Handbewegungen seine Auswechselung verweigert hatte.

Trotzdem ist nicht davon auszugehen, dass der Aufstand Konsequenzen für Arrizabalaga haben wird. Er ist der teuerste Torhüter der Welt, kam im Sommer für 80 Millionen Euro von Athletic Bilbao. Sarri kann es sich nicht erlauben, ihn als Strafe auf die Bank zu setzen oder sogar zu suspendieren. Stattdessen muss der Italiener um seinen Job bangen. Nach einem starken Saisonstart ist Chelsea in den vergangenen Wochen auf den sechsten Tabellenplatz abgerutscht. Der Einzug in die Champions League ist in akuter Gefahr. Der FC Chelsea ist für seine Ungeduld bekannt, wechselte in den letzten zehn Jahren acht Mal den Trainer.