PS120
: Wenn Sprache bleibt
Ein Semikolon bedeutet Leere. Die Leere zwischen zwei Gedanken, ehe sie durch den einen und den anderen Satzteil verknüpft werden. Elif Erkan hat den Strichpunkt mit Filz in ein wulstiges Gemälde gestampft. Übergroß hängt nun das Satzzeichen vor einer abgebrochenen Kachelwand im Projektraum PS120 und stellt in Räumen, deren mal rohes Mauerwerk und mal akkurat weißer Wandputz selber schon etwas Trümmerhaftes haben, die Frage, was vor und was hinter dem Semikolon wohl stehen könnte. Und was wäre, wenn dieses Zeichen überhaupt keine Sätze mehr verbände? Die Sprache, ein Wrack – das ist die Metapher, um die die Kuratoren Jesi Khadivi (s. u.) und Justin Polera in dieser Ausstellung die Arbeiten von elf Künstler*innen arrangieren. Darunter ist die ikonische Serie „Art as an Idea as Idea“ von Altmeister Joseph Kosuth. Mit großformatigen Reproduktionen von Lexikoneinträgen löst Kosuth darin exakte Formulierungen zu Farbpartikeln auf. Nadia Kaabi-Linke wiederum breitet auf 51 Paneelen die leeren Seiten eines Buches aus, um sie dann mit einer eigensinnigen Fadensymbolik neu zu beschriften. So visuell reduziert und konzeptionell viele der Arbeiten sind, Khadivi und Polera machen in „what remains is what the poets found“ eine gewaltige Fragestellung auf: Welche Sprache finden wir noch nach einem Desaster? Die Jugendlichen von Basel Abbas und Ruanne Abou-Rahme etwa schweigen. Im mystischen Film des Künstlerduos suchen sie verlassene Orte in Palästina auf, und neolithische Masken werden zu Worten. soj