WAHLKAMPF: KOCH WILL MIT TÜRKEI-BEITRITT ZUR EU POLARISIEREN : Ein unmoralisches Angebot
Seit Roland Koch Landesvorsitzender der hessischen CDU ist, hat die Union dort keine Wahl mehr verloren. Gegen alle Umfragen gewann er die Landtagswahl 1999 und wurde Ministerpräsident. Dann obsiegte er bei den Kommunalwahlen 2002 trotz schwarzer Kassen und kleiner Lügen. Schließlich triumphierte er bei den Landtagswahlen 2003 erneut. „Koch knows how it goes!“ – eine passende Einlassung junger Unionisten noch am Wahlabend.
Weil Koch tatsächlich zu wissen glaubt, wie man Wahlen gewinnt, dient er jetzt auch Angela Merkel ungefragt sein Rezept dafür an: Ressentiments schüren, die Gesellschaft damit polarisieren – und dann den Rahm bei den Modernisierungsverlierern und den ganz weit nach rechts gedrifteten Protestwählern abschöpfen. 1999 bei den Landtagswahlen war es die von Koch vorangetriebene Kampagne der Union gegen die doppelte Staatsbürgerschaft, die mit für den überraschenden Sieg der CDU über SPD und Grüne sorgte. Aktuell soll die ablehnende Haltung von CDU und CSU gegen einen Beitritt der Türkei zur Europäischen Union im Bundestagswahlkampf thematisiert werden – meint Koch. Populismus pur zwar und vielleicht auch moralisch verwerflich. Doch die Rechnung könnte angesichts der tatsächlich vorhandenen Ressentiments in der Bevölkerung gegen die Aufnahme der Türkei in die EU aufgehen – falls sie von Merkel gegengezeichnet wird. Danach sieht es aber noch nicht aus. Und die FDP ist auch dagegen. Aber was will das schon heißen?
Koch ist das alles sowieso egal. Bleibt Merkel ihrer Linie treu und es reicht CDU/CSU am Ende nicht ganz zur Regierungsbildung mit der FDP, kann Koch darauf verweisen, dass sein Rezept für einen überzeugenden Wahlsieg von der Kanzlerkandidatin doch unklug in den Wind geschlagen worden sei. Revidiert Merkel in der Türkeifrage ihre Haltung und die Union gewinnt die Bundestagswahl mit Bravour, ist Koch plötzlich einer der „Matchwinner“, ohne im „Kompetenzteam“ gewesen zu sein. Den Schaden hat in jedem Fall Merkel.
KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT