: Keine Paella ohne Spezialbohnen
LESUNG Daniel Brühl ist jetzt auch Schriftsteller. Am Dienstag stellte er sein Buch „Ein Tag in Barcelona“ vor
VON SARAH ZIMMERMANN
Ein Dienstagabend im Fritzclub, und über 400 Schaulustige sind gekommen. Manche von ihnen haben Bücher dabei. Schließlich werden sie Daniel Brühl, oder richtig: Daniel César Martín Brühl González Domingo, heute zum ersten Mal als Schriftsteller sehen. Dabei ist sein Buch „Ein Tag in Barcelona“ für die meisten Anwesenden eher Nebensache. Es ist zehn vor acht, und Gesprächsfetzen wandern ins wartende Zuschauerohr: Daniel Brühls Tapas-Bar in Kreuzberg, Spekulationen um seine Privatadresse, und – warst du schon in Barcelona?
Ein Exportschlager
Als im Hauptsaal langsam das Licht ausgeht, ist es, als würde man Brühl wie immer begegnen. Mit Popcorn und Cola im Kinodunkel, auf Polstersesseln statt Plastikklappstühlen. In „Das weiße Rauschen“, in „Good Bye, Lenin!“, in „Die fetten Jahre sind vorbei“, in „Krabat“ und in „Inglorious Basterds“.
Viele mochten ihn von Anfang an. Waren dankbar, dass der deutsche Filmnachwuchs mehr war als Til Schweiger und Keinohrhasen. Und freuten sich, als Brühl bald auch international an der Seite der ganz Großen mitmischte. Als Schauspieler ist Daniel Brühl also zum Exportschlager geworden. Aber schreiben?
Hinter Brühls grafisch ansprechendem Buch verstecken sich Kindheitsanekdoten, Routenpläne und authentische Fotos. Es ist die persönliche Hommage an seine Lieblingsstadt. In Barcelona hat er, bei Großeltern, Tante und Onkel, als Heranwachsender seine Sommer- und Weihnachtsferien verbracht. Mit Jeans, Turnschuhen und Seitenscheitel sitzt er jetzt auf der Lesebühne und erzählt, dass er in Barcelona mittlerweile eine eigene Wohnung hat.
„Er ist so geerdet geblieben“, raunt es in der Reihe hinter mir. Der Mann, der schon neben Judy Dench vor der Kamera stand, ist heute Abend vor allem eines: ein auf Wohlwollen hoffender Nachwuchsautor. Dramaturgische Hilfestellung bekam er von dem Schriftsteller Javier Cáceres. In simpler Schreibe und mit Gespür für Pointen erzählt Brühl, wie man mit Spezialbohnen die beste Paella zubereitet, wie mürrische Boule-Bekanntschaften sich an Franco erinnern und wie er selbst, achtjährig, vor Verzückung echte Tränen verdrückt, weil er im Camp Nou zum ersten Mal den FC Barcelona spielen sieht. Sympathien sammelt er beim Publikum besonders, wenn er sich an seine Pleiten erinnert. Wie er vor einer spanischen Schönheit den Macker markiert. Und sich fünf Minuten später, der Ohmacht nahe, auf dem 10-Meter-Turm des ehemaligen Olympia-Bades wiederfindet. Wie er, wehrlos der Erkältungsangst seiner Tante ausgeliefert, bei zwölf Grad Außentemperatur mit Skihosen und Fäustlingen durch Barcelona stapft. Te vas a costipar! Du wirst dich erkälten! Und dem Großvater leicht zu entlarvende Lügen auftischt.
Seinen Gang durch die schönsten Ecken der Stadt füttert er mit Stadthistorie und kulinarischen Geheimtipps. Am stärksten wird die Lesung da, wo Brühl als Schauspieler glänzen kann und mit katalanischem Akzent seinen grobschlächtigen Onkel Juan sprechen lässt. In den Lesepausen wird klar, dass es ihm dabei nicht um Hippsein oder um Entertainment geht. „Sangria und Paella, das ist es nicht.“ Und dann verliert er ein paar Sätze über das spanische Bürgerkriegstrauma.
Begeisteter Applaus und Abgang. Und die 400 spalten sich in drei Gruppen auf. Die, die zufrieden und satt gefüttert mit Anekdoten und Schauspielercharme direkt zum Ausgang strömen. Die, die sich am Büchertisch mit Ellenbogen „Ein Tag in Barcelona“-Exemplare sichern. Und die, die sich geduldig in die zweireihige Schlange zum Signiertisch reihen. Ein paar Damen lassen sich neben dem Schauspieler ablichten. Und Brühl schmiedet Zukunftspläne. Denn er, der schon neben Judy Dench gespielt hat, wird uns bald wieder in gewohnter Manier begegnen. In „Ich und Kaminski“ auf der Kinoleinwand. Drehstart ist nächstes Jahr. Und Brühl wird, darauf freut er sich, diesmal ein richtiges Arschloch spielen.