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Archiv-Artikel

Kurzer Prozess

WIDERSTAND Das erste Verfahren um die Tumulte bei dem Vortrag über Sicherheitspolitik von Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) an der Uni Göttingen endet mit Freispruch

Ein Video dokumentiert, wie Beamte Demonstranten mit Schlägen traktierten

Mit einem Freispruch für den Angeklagten endete gestern der erste Strafprozess um die Tumulte beim Auftritt von Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) im Januar an der Universität Göttingen. Tawlik L., so hatte es die Staatsanwaltschaft zunächst gesehen, sollte während des Gerangels einen Polizisten in den Genitalbereich getreten haben – ein Fall von Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und Körperverletzung. Zum Prozess kam es, weil der 25-Jährige zuvor Widerspruch gegen einen Strafbefehl über 750 Euro eingelegt hatte.

Schünemann und der Göttinger Polizeichef Robert Kruse hatten am 10. Januar in einem Hörsaal der Uni über Sicherheitspolitik referiert. Rund 500 Menschen protestierten gegen den Auftritt. Eine Gruppe von etwa 150 Demonstranten versammelte sich vor den beiden Eingängen des Hörsaals. Als Polizisten die Versammlung gewaltsam auflösten, kam es zu Rangeleien. Ein Video des NDR dokumentiert, wie Beamte der in Göttingen stationierten Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) in die Menge stürmten und Demonstranten mit Schlägen und Tritten traktierten. Etliche Personen – darunter nach Polizeiangaben auch sechs Beamte – wurden bei dem Gerangel verletzt.

Bei der Abfahrt Schünemanns vom Campus ging die Polizei erneut gegen Protestierende vor, die sich vor das Ministerfahrzeug gesetzt hatten. Aus der Menge flog ein Stein gegen das Auto. Gegen mehrere Demonstranten wurden Strafverfahren eingeleitet. Neun Studenten zeigten ihrerseits Polizeibeamte wegen Körperverletzung an.

Im gestrigen Prozess sah der Vorsitzende Richter Detlef Hoefer keinen Hinweis darauf, dass Tawlik L. den als Zeugen geladenen Polizisten tatsächlich getreten hat. Zu Beginn hatten sowohl die Polizei als auch Verteidigerin Marlene Jendral weiteres Videomaterial beigebracht, das die Beteiligten in einer Verhandlungspause gemeinsam sichteten. Ein Tritt von L. gegen den Beamten war darauf nicht zu erkennen. Die Staatsanwaltschaft sah das ebenso – und plädierte auf Freispruch. Das Gericht schloss sich an.  REIMAR PAUL