die woche in berlin
: die woche in berlin

Neues Jugendförder- und -beteiligungsgesetz soll die Jugendarbeit stärken, Berlin und Brandenburg beschließen gemeinsamen Landesentwicklungsplan, an der Ratiborstraße wird die Unterkunft für Geflüchtete kleiner angelegt, und bei Tennis Borussia steht man nach einer turbulenten Mitgliederversammlung vor der Zerreißprobe

Der Zukunft eine Chance geben

Neues Gesetz will Jugendarbeit stärken

Ach, die Jugend. Steht rauchend und lärmend vorm Hauseingang. 16 Jahre sind die vielleicht alt und fünf nur an der Zahl. Aber das schallt die ganze Häuserschlucht hoch. „Ich ruf da gleich runter“, sagt der Nachbar und macht es dann doch nicht. Vielleicht erinnert er sich gerade noch rechtzeitig an seine eigene Jugend. Vielleicht hätten die fünf „Halt’s Maul“ hochgebrüllt und damit Empörung befriedigt. Vielleicht aber auch: „Wo sollen wir denn sonst hingehen?“

Die Orte, an denen Jugendliche in Berlin feiern, Musik machen, quatschen, Billard und Kickern lernen, an Projekten teilnehmen, sich in Selbstverwaltung üben können, sind in den letzten Jahren und Jahrzehnten immer weniger geworden. Und das, obwohl die Zahl der Kinder und Jugendlichen seit geraumer Zeit wieder steigt. Fast eine halbe Million dürften es aktuell sein.

Vor diesem Hintergrund kann es nur positiv bewertet werden, dass Sandra Scheeres (SPD), Senatorin für Bildung, Jugend und Familie, am Dienstag ein Gesetz dem Senat vorlegte, das die Rechte von Kindern und Jugendlichen auf ihnen angemessene Jugendarbeit untermauert. Bisher habe es dafür zwar ein politisches Ja gegeben, aber die Umsetzung in den Bezirken ließ zu wünschen übrig. Den Empfehlungen von Frau Scheeres seien jedenfalls die wenigsten gefolgt.

Schon seit Jahren hatten auch die Berliner Jugendverbände und Träger von Jugendeinrichtungen fast ungehört Alarm geschlagen. Da muss man sich doch fragen, warum das Thema Jugendarbeit im Vergleich zu Kita und Schule so wenig öffentlich diskutiert wird. Vielleicht, weil sich eben so wenige daran erinnern, dass Sozialisation eben nicht nur in Schule und Elternhaus erfolgt, Jugendarbeit insofern nicht nur Freizeitspaß ist, und weil die Lobbyarbeit der Eltern nicht bis in den Bereich reicht, in dem sich ihre Zöglinge von ihnen ablösen.

Mit dem neuen Jugendförder- und -beteiligungsgesetz soll nun erstmals ein Gesetz den Umfang und die Qualität der Jugendarbeit regeln. Dafür gibt es dann auch deutlich mehr Geld. Und das nicht nur für die klassischen Jugendclubs, sondern auch für Festivals, Seminare, Jugendreisen oder selbstverwaltete Jugendarbeit. Wenn die Zahl der Kinder und Jugendlichen in Berlin weiter steigt, dann würde qua Gesetz der Etat für die Jugendarbeit mitwachsen. Also auch dann, wenn das Geld nicht wie bei der jetzigen Haushaltslage recht locker sitzt und das Thema Jugendarbeit wieder in unbeleuchtete Nischen rutscht.Manuela Heim

Potenzial gemeinsam nutzen

Länderübergreifender Masterplan beschlossen

Sie kamen aus dem Schwärmen schier nicht mehr heraus, die beiden Länderchefs Michael Müller und Dietmar Woid­ke von der SPD. Dass man sich sehr wohl gefühlt habe bei der gemeinsamen Kabinettssitzung von Berlin und Brandenburg, wo es am Dienstag um die gemeinsame Landesplanung ging. Dass der Austausch so vertrauensvoll sei wie nie zuvor. Dass teilweise Freundschaften die Minister verbinden. Dass man an einem Strang ziehe, „damit wir unsere Länder voranbringen“. Was sich etwa auch darin ausdrücke, die gemeinsame Region als Wohnraumreserve für das jährlich um über 40.000 Menschen wachsende Berlin zu betrachten.

Wären die beiden Länder Menschen, würde da zumindest in bürgerlichen Kreisen schnell die Frage aufgeworfen: Warum heiraten die eigentlich nicht, wenn die sich so gut verstehen?

Doch eine Fusion ist schlicht kein Thema unter den Regierenden beider Länder. Zu schlecht sind die zurückliegenden Erfahrungen. Bei einem Volksentscheid 1996 fand in Berlin die Idee zwar eine knappe Mehrheit von 53 zu 46 Prozent – sie scheiterte in Brandenburg aber deutlich mit 37 zu 63 Prozent. Ein zweiter Anlauf, der zu einem erneuten Volksentscheid 2006 und einer möglichen Fusion 2009 führen sollte, versandete Mitte der nuller Jahre. Es fehlte einfach der nötige Rückhalt dafür.

Zu verwurzelt ist gerade in der Peripherie die Abneigung unter den 2,5 Millionen Brandenburgern, nach einer Fusion nicht nur wie jetzt mit Potsdam aus einer entfernten Hauptstadt regiert, sondern auch noch von dort auf kleinem Raum lebenden rund 3,8 Millionen Menschen dominiert zu werden.

Dagegen mag knapp sieben Monate vor einer Brandenburger Landtagswahl mit ungewissem Ausgang keiner argumentieren. Umso weniger, als derzeit beide Länder im Aufwind sind und nicht die wirtschaftliche Not die beiden zusammentreibt. Und so wird es eben auf absehbare Zeit keine Hochzeit geben. Berlin und Brandenburg sind bei aller Nähe eben nicht „Harry und Sally“. Muss ja nicht – es führt ja auch nicht jede Wohngemeinschaft gleich in ein Eigenheim.

Stefan Alberti

Man darf ruhig kleiner denken

Neues Ratiborstraßen-Konzept für Geflüchtete

Für eine richtig gute Idee hält sie wohl niemand: Massenunterkünfte für 400 bis 500 Flüchtlinge an ein und demselben Ort. Man muss kein „besorgter Bürger“ sein, um zu erkennen, dass die lokale Integration von so vielen NeubürgerInnen mit sprachlich-kulturell ganz verschiedenen Backgrounds für jede Nachbarschaft eine – vorsichtig formuliert – große Herausforderung ist. Dennoch gibt es von solchen Unterkünften Dutzende in der Stadt – und es sollen sogar noch mehr werden, wenn es nach dem Senat geht.

Aber was passiert, wenn es in den Kiezen und Bezirken Widerstand gibt? Und wenn der Widerstand nicht von ressentimentgetriebenen „Wutbürgern“ kommt, sondern von Leuten, die durchaus mit Flüchtlingen leben, sie in ihrer Mitte aufnehmen wollen – aber nicht selber dafür verdrängt werden wollen, weil es so viele sind?

Die Menschen, die auf dem Areal Ratiborstraße 14 arbeiten, versuchen seit fast einem Jahr diesen Spagat hinzubekommen: mit einem Konzept, das maximal 150 Flüchtlingen Wohnraum bietet, ihr bestehendes Gewerbe erhält – und vielleicht sogar Arbeitsmöglichkeiten für die neuen Nachbarn bietet. Diese Woche hat Bezirksstadtrat Florian Schmidt (Grüne) von Friedrichshain-Kreuzberg die Machbarkeitsstudie vorgestellt, die erklärt, wie das gehen kann.

Klar ist: Damit solche Projekte, die sehr sinnvoll scheinen, möglich werden können, braucht es mehr Raum. Denn wenn die Bezirke kleiner bauen wollen – in Mitte denkt man in dieselbe Richtung wie in Kreuzberg –, brauchen sie mehr als zwei Standorte. Denn die Vorgabe des Senats, dass jeder Bezirk rund 1.000 Plätze bauen soll, ist angesichts der Wohnraumknappheit in der Stadt ja ebenfalls sinnvoll.

Wie Baustadtrat Schmidt der taz nun am Freitag sagte, hat sein Bezirk in der Tat drei weitere Grundstücke für kleinere MUFs– die Modularen Unterkünfte für Flüchtlinge – im Visier. Für diese drei müssten nun, ähnlich wie für die Ratibor, individuelle Konzepte entwickelt werden, was dort jeweils möglich und integrationspolitisch sinnvoll ist.

Das aber braucht Zeit. Der Senat sollte daher nicht darauf bestehen, dass die Bezirke das ursprüngliche „Masse statt Klasse“-Konzept umsetzen müssen, das in Zeiten voller Turnhallen geschrieben wurde und die Stadt mit Großunterkünften zupflastern wollte. Heute kommt es darauf an, neu ankommende Menschen – so viele sind es ja nicht mehr – gut und langfristig unterzubringen. Das Konzept Ratibor könnte dafür in der Tat eine Blaupause sein.

Susanne Memarnia

Unvereinbar im Verein

Seltsame Versammlung bei Tennis Borussia

Der Berliner Amateurfußball ist seit dieser Woche um eine bekloppte Investoren-Anekdote reicher. Tennis Borussias autokratisch agierender Investor Jens Redlich soll Wahlvolk für die Mitgliederversammlung am Mittwochabend angeworben haben, um seine eigenen Kandidaten in den Aufsichtsrat zu bringen – und das erfolgreich. Von einem Reisebus bulgarischer Bauarbeiter bei der Versammlung berichteten fassungslose Fans, von Menschen, die sagten, ihr Chef habe sie geschickt, und zugaben, nie zuvor bei TeBe gewesen zu sein. Und von plötzlichen 586 Stimmabgaben – bei der letzten Mitgliederversammlung sollen es 86 gewesen sein.

Redlich bestreitet all das natürlich. Und Tennis Borussia Berlin, Traditionsclub und derzeit Fünftligist mit Aufstiegsträumen, hat sich in eine kaum lösbare Lage gebracht. Die Verwerfungen zwischen Fanszene und Investor sind so tief, dass es längst um Entweder-oder geht, entweder bleibt Redlich oder die aktiven Fans. Der Schaden ist unabhängig vom Ausgang groß.

Die TeBe-Führung hat sich verkalkuliert. Die linke Fanszene sollte zurückgedrängt werden, um den Klub für neues Publikum zu öffnen. Aber wer die verprellt, die da sind, steht schnell allein da.

Der im Fußball unerfahrene Jens Redlich wirkt völlig überfordert mit der Situation. Die Schelte aber, Tennis Borussia habe sich naiv einem Geldgeber angedient, ist dennoch heuchlerisch: Denn anders ist ambitionierter Amateurfußball ja kaum noch zu machen. Die Erst- und Zweitligisten ziehen große Teile ihres Budgets längst aus Fernsehgeldern und Marketing. Kleine Vereine wie TeBe müssen fast ohne solche Quellen auf demselben ständig wachsenden Markt mit seinen inflationären Transfersummen agieren. Und wer nicht zufällig 5.000 Zuschauer zieht zu den Spielen – was unterhalb der dritten Liga so gut wie kein Verein schafft –, kommt um die Wundertüte „Reicher Mann“ kaum herum. Der ist manchmal nett und manchmal, pardon, ein Arschloch.

Die wahren Schuldigen an der Misere von Tennis Borussia sind daher DFB und Uefa, die es beharrlich versäumen, den eigenen Fußballmarkt ausreichend zu regulieren. 2,5 Millionen Euro will Jens Redlich nach eigenen Angaben bis Saisonende in den Fünftligisten TeBe gesteckt haben, in etwas über zwei Jahren. Zum Vergleich: Das komplette Jahresbudget eines ambitionierten Frauen-Erstligisten wie Turbine Potsdam wird auf 1,5 Millionen geschätzt. Guter Fußball kann so günstig sein. Wenn man will. Alina Schwermer

Wer die verprellt, die da sind, steht schnell allein da

Alina Schwermerüber die Turbulenzen beim Oberligisten Tennis Borussia