piwik no script img

Archiv-Artikel

Hoffen auf viel Regen

AUS MADRID HANS-GÜNTER KELLNER

„Nicht mein Haus, nicht mein Haus!“, schreit eine Frau in einem der Randbezirke der portugiesischen Universitätsstadt Coimbra. Gestern haben die Flammen in der Stadt auch Wohnhäuser zerstört. In der Hälfte des Landes gilt Alarmstufe Rot, die portugiesische Regierung gibt zu, nicht genug Mittel zur Brandbekämpfung zu besitzen, und hat die Europäische Union um Unterstützung gebeten. Jorge Sampaio, der Präsident der Republik, erklärte in einer Ansprache: „Dies ist ein sehr schlimmer Augenblick für Portugal.“

Insgesamt waren gestern noch 29 Brände in Zentralportugal aktiv. Der starke Wind behindert die Löscharbeiten. In diesem Jahr sind bereits 138.000 Hektar Wald verbrannt – eine Fläche, halb so groß wie das Saarland. Die Behörden gehen davon aus, dass es bis zum Ende des Sommers mehr als 200.000 Hektar sein werden. 2005 wäre damit das zweitschlimmste Waldbrandjahr seit 1991. Am heftigsten wüteten die Flammen erst vor zwei Jahren, als mehr als 400.000 Hektar verbrannten. Die Portugiesen fragen sich, was die Behörden aus diesem erst zwei Jahre zurückliegenden Flammeninferno eigentlich gelernt haben. Zumindest in der Ausstattung der Löschmannschaften sind die Brandbekämpfer erneut an ihre Grenzen gestoßen.

Mehr als 2.500 Feuerwehrleute sind pausenlos im Einsatz. Meist haben sie aber schon genug damit zu tun, ein Übergreifen der Flammen auf Wohnhäuser zu verhindern. Das gelingt ihnen nicht immer. So sieht man Anwohner verzweifelt mit Gartenschläuchen und Eimern hantieren. Spanien, Italien Frankreich und auch Deutschland kommen Portugal zu Hilfe und haben jetzt Flugzeuge und Hubschrauber entsandt.

Wie wichtig der Einsatz aus der Luft ist, zeigen die Erfolge in Spanien. Dort hat es zwar in diesem Sommer bislang 3.415 Waldbrände gegeben – die meisten konnten jedoch relativ rasch mit Löschflugzeugen unter Kontrolle gebracht werden. Trotzdem sind in Spanien in diesem Jahr bisher 95.000 Hektar Wald und Buschland verbrannt.

Der größte Teil der Waldbrände in Spanien und Portugal geht auf menschliche Einwirkung zurück – Achtlosigkeit oder kriminelle Absicht. Feuerwehrleute beschweren sich, in gerade gelöschten Wäldern im nordspanischen Galicien brenne es verdächtig oft immer wieder aufs Neue. 277 Personen sind in Spanien in diesem Jahr beschuldigt, Brände absichtlich gelegt zu haben.

In Portugal sind bisher 108 Personen unter dem gleichen Vorwurf verhaftet worden. Bodenspekulation ist ein Tatmotiv. Die spanische Regierung hat darum noch vor der Sommerpause verfügt, dass verbrannte Waldflächen mindestens 30 Jahre lang nicht bebaut werden dürfen. Zudem hat sie selbst das Rauchen im Freien verboten.

Eine weitere Brandursache ist die Struktur der Wälder auf der Iberischen Halbinsel. Nur noch 16 Prozent der Wälder haben ihren ursprünglichen Laubbaumbestand. Meist brennen die weit verbreiteten, aber schnell austrocknenden Kiefern und die schnell wachsenden Eukalyptusbäume, von denen sich die private Forstwirtschaft vor allem in Portugal und Nordspanien einst gute Renditen versprach.

Doch längst sind diese Wälder unrentabel geworden, weshalb sie niemand mehr pflegt. Hinzu kommt, dass die Menschen aus den vielen perspektivlosen Dörfern in den Bergen hinab in die Städte fliehen. So wächst auf alten Weideflächen und Wegen das Gestrüpp meterhoch. (siehe Interview auf dieser Seite). Bei den hohen Temperaturen dieses Sommers und der extremen Dürre reicht ein Funke, und das Gestrüpp entzündet sich explosionsartig.

Das spanische Umweltministerium hat darum ein Aktionsprogramm zur Waldpflege gestartet. In Portugal sind jedoch 95 Prozent der Wälder in Privatbesitz, über die der Staat nicht verfügen kann. Präsident Jorge Sampaio mahnte in seiner Ansprache auch an, über die Fehler in der Brandbekämpfung nachzudenken. Die Regierung des Landes will zunächst die Feuer löschen und dann diskutieren. Das Wetter könnte dabei helfen: Ab morgen soll es regnen.