piwik no script img

Katrin Seddig Fremd und befremdlichGendergaga ist das Schlimmste, es ist Kastration

Foto: Lou Probsthayn

Katrin Seddig ist Schrift-stellerin in Hamburg mit einem besonderen Interesse am Fremden im Eigenen. Ihr jüngster Roman „Das Dorf“ ist bei Rowohlt Berlin erschienen.

Wir sind ein Herrenclub, machen diesen Gendergaga nicht mit. Selbst der Papst würde nicht eingeladen, wenn er eine Frau wäre.“ Sagte ein Bremer Versicherungsunternehmer in seiner Eigenschaft als Präsident der Bremer Eiswette. Die Bremer Eiswette ist eine alte Tradition. Alte Traditionen sind uns mit das Wichtigste, das wir haben, um zu wissen, wer wir sind. Ohne alte Traditionen sind wir nichts. Ich persönlich bin leider kein Teil einer alten Tradition, deshalb bin ich auch nichts.

Es gab ja in diesem Jahr allerhand Ärger um diese Tradition, weil traditionell auch der Bremer Bürgermeister hätte eingeladen werden müssen, der aber eine Frau ist, es bräche also sozusagen eine Tradition innerhalb der Tradition mit derselben. Frauen sind aber in dieser Tradition nun mal ausdrücklich nicht erwünscht. Warum? 1828 war eine Frau so etwas wie ein Kind, politisch, geschäftlich irrelevant. Nach der Heirat gehörte sie ihrem Mann. Ohne seine Einwilligung durfte sie nur sterben. Warum aber heute?

Is’ so, sagt der Teenager. Echt, is’ so! Was heißt: Weil wir das (immer noch) nicht wollen. Keine Frauen. Ein reiner Herrenclub.

„Ich gehe ja auch gern mit den Mädels weg“, sagt irgend so eine Frau unter irgendeinem Artikel zu diesem Thema. „Mädelsabend“ nennt die Frau das. Männer nicht zugelassen. Und dann gibt es ja noch andere Sachen rein für Frauen: Parkplätze, Sauna, Menstruation. Bitteschön. „Lass sie doch, wenn sie wollen“, sagt eine andere Frau. „Ich will da gar nicht hin.“ „Genau. Was man nicht darf, das will man vorsichtshalber auch nicht.“ Das ist die Rache der Ausgeschlossenen, dass sie gar nicht drin sein wollen.

Seit 1928 wird auf dieser Veranstaltung Geld gesammelt, für die DLRG. 475.310 Euro sind in diesem Jahr zusammengekommen. 1928 war die Eiswette schon 100 Jahre alt. Damals konnte man ihr noch etwas hinzufügen, etwas Neues, die Tradition noch ein bisschen ändern. Das ging schon. Es war ja eine gute Sache und kein Gendergaga. Man fügte noch mehr hinzu, die drei Könige aus dem Morgenland, den Schneider mit dem Bügeleisen und noch paar so Gestalten. 1933 kamen dann ein paar Nationalsozialisten hinzu. Und seit 1994 gab es dann auch noch die Texte des Autors Jürgen Kropp, für die Zeremonie, auch das war neu. Aber all das: Kein Gendergaga.

Ein Mann bleibt ein Mann. Der Nationalsozialismus kann ihm nichts anhaben, eine Bremer Bürgermeisterin aber schon. Zurück zu der Frau mit dem „Mädelsabend“. Ein Mädelsabend ist eine schöne Sache. Mädels unter sich, machen Mädelssachen, reden über Mädelsthemen, Mädelssachen unterscheiden sich extrem von Jungssachen und erst recht von Männersachen. Männersachen werden auf der Veranstaltung der Bremer Eiswette besprochen. Geschäfte zum Beispiel. Das sind Männersachen. Das sehe ich ein, da stören Frauen nur. Ein Mann hat mit einem anderen Mann viel mehr gemeinsam als, zum Beispiel, mit einer anderen Frau. Männer und Frauen, was sollte sie verbinden?

Eine Bürgermeisterin hat keinen Penis und kann daher nicht eingeladen werden

Gemeinsame Interessen? Gemeinsame Geschäfte? Intellekt, Humor, politische Ausrichtung, moralische Prinzipien, wirtschaftliche Interessen? So etwas können Frauen und Männer einfach nicht wirklich gemeinsam haben. Weil der Mann und der Mann beide einen Penis haben, das verbindet sie automatisch. Eine Bürgermeisterin hat keinen Penis und deshalb kann sie einfach nicht eingeladen werden, dies wäre eine Änderung der Tradition, die Gendergaga wäre und Gendergaga ist das Schlimmste, was einem Mann passieren kann, es ist Kastration. Is’ so! Traditionen dürfen niemals geändert werden, außer, wenn doch, es muss aber in die richtige Richtung gehen, sonst: Traditionen dürfen niemals geändert werden. Die richtige Richtung ist: Kein Gendergaga. Ein Mann bleibt ein Mann und Männer müssen auch mal unter sich sein. Frauen machen ja auch Mädelsabende.

Kommt Ihnen dieser Text gaga vor? Mir auch. Aber es lässt sich einfach nichts Vernünftiges dazu sagen. Ein Mann hätte ihn schreiben sollen. Ich bin nur eine Frau.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen