Weiß zu allem etwas zu sagen

Jens Friebe, live und schlicht großartig am Freitag im gefüllten Festsaal Kreuzberg: Wie queer Show, Beteiligte und RezipientInnen sind, muss man eigentlich kaum mehr betonen, das versteht sich von selbst

Von Jenni Zylka

Einfach mal Jens Friebe fragen. Sei’s Drogenkonsum, sei’s „Herr der Ringe“, sei’s Gender: Der Mann, sein neues, sechstes Album „Fuck Penetration“ hatte es soeben brillant bewiesen, weiß zu allem etwas zu sagen. Live, am Freitag im gefüllten Festsaal Kreuzberg, ist das nicht anders.

Friebe lässt den Abend gemach beginnen, nach einer Lesung und Vera Kropfs freundlichem Wienerin-mit-Gitarre-Auftakt, steht er am elektronischen Klavier und beweist, dass man textlich nicht simpel bleiben muss, um Menschen zum Mitgrölen zu bringen. Denn Hymnen, und das sind Songs wie das Titelstück „Fuck Penetration“ oder „Es leben die Drogen“ eindeutig, Hymnen können auch fernab von Stadion und Nationalgefühl gesungen werden, können gesellschaftliche Phänomene thematisieren, können zwischen den Zeilen mindestens genauso Relevantes wie in den Zeilen selbst ausdrücken. „It is a wonderful infinite melody / start any time we don’t need synchronisity / and we call the song fuck penetration“ schmetterte Friebe hingebungsvoll, flankiert vom unbezahlbaren Schlagzeugkünstler Chris Imler, Pola Schulten und Andi Hudl, die auch sofort einstimmen: „Fuck, fuck, fuck penetration!“, gemeinsam mit dem ganzen Saal. Alle würden jetzt gern die Penetration fucken. Und alle würden kurz darauf gern Drogen nehmen, mit Jens Friebe, wahlweise auch ohne: „Als ich sagte ich kann nicht mehr, war das gelogen – es leben die Drogen“, stimmt er an, während sich sehnsüchtige Klavierakkorde Richtung Dur auflösen.

Die Stücke, das fällt live mehr auf als auf der Platte, sind allerdings ganz schön kurz, als ob Friebe seine neuerdings auf Deutsch und Englisch funkelnden Gedanken zu Drogenkonsum, „Herr der Ringe“ und Gender eher als „conversation starter“ denn als Statement in den Ring werfen möchte: Zwei Strophen, zwei Refrains, man hatte sich gerade eingegroovt, hatte gerade Struktur und Inspiration des Songs begriffen, da ist er auch schon wieder vorbei. Dabei stand viel Schönes Pate bei Friebes musikalischen Ideen – das harmonisch-spannungsvolle Songwriting von David Bowie in den 70ern, die Rocksounds der späten 60er, die elektronische Unbekümmertheit der 80er, sogar, in „Herr der Ringe“ mit seinem gebetsmühlenartigen Fantext über die Filmreihe – vielleicht dank Imlers Lust am perkussiven Experimentieren – die irren, allein auf Rhythmus aufgebauten Klänge von Cyril Trotts oder Fun Boy Three: „Die Hügel sind Häuser, die Häuser sind Hügel“, rezitiert Friebe, „gespensterhaft zeigt sich das absolut Böse / als Mischung aus Wirbelsturm, Auge und Möse“. Und apropos: Wie queer Show, Beteiligte und RezipientInnen sind, muss man eigentlich kaum mehr betonen, das versteht sich bei Friebe (und vielen der fast zeitgleich agierenden, unterhaltsamen und weisen MusikerInnen aus seinem Umfeld, etwa „Oum Shatt“ oder „Ja, Panik“) längst von selbst, ein Glück. Die Notwendigkeit von mehr Queerness in der Welt zu beschreiben, ist klar eine von Friebes Intentionen, eine andere wird seine Liebe zur Sprache sein, sein Interesse daran, auch eigentlich kaum singbare Worte zu verweben, sie ebenso als Textur wie als Text zu begreifen: „Raus aus dem Idyll / auf teambildende Reisen / mit helfenden Elfen / und zaubernden Greisen.“

Freitag klappt das jedenfalls gut. Live klingen Friebes Songs natürlich partytauglicher und tanzbarer als auf dem Album, wo man dagegen sein Anliegen zur Weltverbesserung ernster nimmt. Und weil die kurzen Songs so schnell vorbei sind, spielt Friebe als Zugabe noch mal fast genauso lang, während seine Band eifrig die Instrumente wechselt. Dabei wäre die Musik, die sich selbstbewusst nicht einordnen lässt, schon abwechslungsreich genug. Aber auf allen Hochzeiten zu tanzen potenziert eben auch den Spaß.