: Neue Wasserquelle an der Weser entdeckt
Mit einem Projekt versucht der Oldenburgisch-Ostfriesische Wasserverband in einer Kläranlage im niedersächsischen Nordenham gereinigtes Abwasser für die Industrie und Landwirtschaft nutzbar zu machen. Das Pilotprojekt läuft noch bis Herbst
Von Reimar Paul
Der vergangene Sommer war warm und trocken. Weil der Wasserspiegel in den Talsperren auf Tiefstwerte sank, mussten die Harzwasserwerke, die große Teile Norddeutschlands mit Trinkwasser versorgen, erstmals in ihrer Geschichte das Oberharzer Wasserregal anzapfen. Bergleute hatten dieses einzigartige System von Gräben und Teichen im Mittelalter zur Energiegewinnung angelegt, es zählt inzwischen zum Weltkulturerbe der Unesco. Die Versorgung mit qualitativ hochwertigem Trinkwasser blieb somit auch im Rekordsommer überall im Norden gewährleistet.
Das ist längst nicht überall der Fall. An vielen Orten der Erde geht das Grundwasser zur Neige. 2025, sagen Experten, werden weltweit drei Milliarden Menschen unter Wassermangel leiden. Dringend gesucht werden deshalb Antworten, wie Wasser nachhaltiger genutzt werden kann. Das gilt vor allem für Brauchwasser, also für gewerbliche oder industrielle Zwecke bestimmtes Wasser, das nicht als Trinkwasser geeignet ist.
Konventionelle Kläranlagen reinigen zwar das gebrauchte Wasser, Umweltchemikalien oder mikrobiologische Verschmutzungen können sie aber nicht herausfiltern. Bislang reicht die Qualität des gereinigten Abwassers deshalb nur, um es in Flüsse einzuleiten.
In Nordenham an der Wesermündung werkeln Fachleute verschiedener Disziplinen bereits seit 2016 an Methoden, die das Abwasser so sauber aufbereiten sollen, dass es gezielt wieder nutzbar ist, zum Beispiel in der Landwirtschaft oder der Industrie. Das Projekt „Modulare Aufbereitung und Monitoring bei der Abwasserwiederverwendung“ (Multi-Reuse) hat zum Ziel, aus konventionell gereinigtem Abwasser mit einem mehrstufigen Aufbereitungssystem Brauchwasser in unterschiedlicher Qualität herzustellen.
Mit mehreren Projektpartnern hat der Oldenburgisch-Ostfriesische Wasserverband (OOWV) auf dem Gelände des Nordenhamer Klärwerks eine Pilotanlage errichtet. Die hochmoderne Technik ist untergebracht in einem blauen Schiffscontainer, der etwas unscheinbar am Rand des Klärwerks steht. Die Aufbereitung des Wassers erfolgt in mehreren Schritten.
Eine mechanische Vorreinigung entfernt feinste Schwebstoffe. Eine Ultrafiltration beseitigt beispielsweise Bakterien und größere Wassermoleküle. Eine sogenannte Umkehrosmose-Anlage entzieht dem Wasser Salz. So entstehen unterschiedliche Wasserqualitäten, die anstelle von Trinkwasser gezielt eingesetzt werden können – etwa zur Grundwasseranreicherung, zur Bewässerung landwirtschaftlicher Flächen oder in industriellen Prozessen. Denn für industrielle und landwirtschaftliche Zwecke muss das Wasser keine Trinkwasserqualität haben. So benötigen beispielsweise Dampfkraftanlagen vollständig entsalztes Wasser. Für Spülprozesse ist wiederum eine andere Qualität nötig.
Die Erkenntnisse des noch bis zum Herbst laufenden Projektes können, so die Hoffnung der OOWV, branchenübergreifend für Veränderungen sorgen. Das in Nordenham getestete Verfahren habe das Potenzial, Wasser in wasserarmen Regionen deutlich schonender und vielfältiger einzusetzen, Ökosysteme am Leben zu erhalten und damit die Lebensqualität der Bevölkerung wesentlich zu verbessern.
Der Oldenburgisch-Ostfriesische Wasserverband (OOWV) ist ein Zusammenschluss von Landkreisen, Städten und Gemeinden, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Verbraucher im Nordwesten Niedersachsens mit Trinkwasser zu versorgen und das Abwasser zu reinigen. Der Verband ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ohne Gewinnerzielungsabsicht.
Das Versorgungsgebiet ist fast 8.000 Quadratkilometer groß. Es umfasst – mit Ausnahme der Städte Delmenhorst, Emden, Norden, Oldenburg, Vechta und Wilhelmshaven – das Gebiet des ehemaligen Landes Oldenburg sowie die Landkreise Aurich, Wittmund und Diepholz. Kein Wasserversorger in Deutschland deckt ein größeres Gebiet ab.
Projektpartner vom Wasserverbund bei „Multi-Reuse“ sind unter anderem das Rheinisch-Westfälische Institut für Wasserforschung, die Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie, BASF, die Universität Duisburg-Essen und das Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung.
Bezuschusst wird das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung in der Fördermaßnahme „Zukunftsfähige Technologien und Konzepte zur Erhöhung der Wasserverfügbarkeit durch Wasserwiederverwendung und Entsalzung“. Es läuft über drei Jahre. Nach Ablauf Ende September ist eine Evaluation des Projekts geplant.
Gleichwohl mahnte OOWV-Geschäftsführer Karsten Specht kürzlich einen sorgsamen Umgang mit den Ressourcen an: „Wir müssen uns daran gewöhnen, dass Wasserversorgung nicht selbstverständlich ist“, sagte er. Die Herausforderung der Zukunft bestehe darin, dauerhaft ausreichende Mengen in hoher Qualität zur Verfügung zu stellen. „Dies dem Bürger zu vermitteln, der sauberes Wasser gewohnt ist, ist nicht ganz einfach.“
Die Entwicklung neuer Aufbereitungstechnik sei wichtiger Bestandteil eines ganzheitlichen Konzepts für nachhaltige Wasserversorgung. Specht appelliert deshalb an die Politik, der Wasserwirtschaft künftig mehr Mittel für Forschungsvorhaben zur Verfügung zu stellen.
Gleichzeitig warnt Specht vor zu großen Erwartungen. „Ob und in welchem Umfang sich die Wiederverwendung von Wasser positiv auf die Umwelt auswirken wird, lässt sich noch nicht sagen.“ Die technische Aufbereitung von Wasser könne auch nur ein Baustein von vielen sein für mehr Nachhaltigkeit im Umgang mit unseren Ressourcen. Weitere Maßnahmen, die die Grundwasserneubildung begünstigen, müssten folgen.
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