: Bremen pokert ganz allein
Das kleinste Bundesland hat keine Verbündeten mehr. Gestern distanzierte sich das CDU-regierte Saarland, vorher hatte Finanzminister Eichel klargestellt, Bremen habe seinen Ruin selbst verschuldet
Von Klaus Wolschner
Schlechte Nachrichten für Bremen. Gestern war das ganze Kabinett des Kleinstaats nach Saarbrücken geflogen, um mit dem anderen Haushaltsnotlagen-Land eine gemeinsame Strategie zu verabreden. Aber nicht einmal auf einen gemeinsamen Termin für eine Klage konnten sich die Kabinette einigen. In aller Deutlichkeit führte der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) den Bremern vor Augen, wie erfolgreich man die Sanierungshilfen des Bundes genutzt hat: „Wir sind im Saarland mit der Sanierung der Landesfinanzen gut vorangekommen“. Das Land habe „den Anschluss an andere Länder erreicht“. Das belegten „Kennziffern wie die Zinssteuerquote und die Pro-Kopf-Verschuldung“.
In beiden Punkten hat sich Bremen seit Beginn der Sanierungshilfen 1994 verschlechtert. Im Jahre 2005, dem ersten Jahr nach dem Ende der Sanierungsphase, wird die Neuverschuldung Bremens höher ausfallen als 1993, dem letzten Jahr vor Beginn der Sanierungshilfen. Das hatte jüngst auch der Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) den Bremern schriftlich gegeben. In einem Brief an ein Bremer SPD-Mitglied ließ der Minister seinen persönlichen Referenten Klartext formulieren: Trotz 8,5 Milliarden Euro Sanierungshilfen sei der Schuldenberg um 34 Prozent angewachsen, heißt es in dem Brief. Und die „Ursachen dafür liegen aus Sicht des Bundesfinanzministeriums in einer offenkundig wenig erfolgreichen Sanierungsstrategie“, der Bremer Schuldenstand sei „Ausdruck haushaltspolitischer Fehlentscheidungen“. Eichel könne es – wie auch die anderen Bundesländer – „nicht akzeptieren, wenn Bremen sich bis in die jüngste Zeit hinein ein Ausgabenniveau geleistet hat, das über demjenigen Hamburgs gelegen hat, das im Länderfinanzausgleich Zahlerland ist“.
Klartext: Eine weitere strukturelle Finanzhilfe schließt Eichel definitiv aus. Als der Bremer Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) im Juni anregte, das Problem der fortbestehenden Haushaltsnotlage doch wenigstens in einer unverbindlichen Arbeitsgruppe zu besprechen, winkten auch die CDU-regierten süddeutschen Länder ab.
So hat Bremen niemanden, mit dem es ernsthaft verhandeln könnte. Der letzte Strohhalm ist die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht. Aber auch da sind manche Experten skeptisch. Denn im Unterschied zur Lage 1992 gibt es heute diverse Bundesländer mit schlechter Haushaltslage. Das, darauf hat der ehemalige Bundesverfassungsrichter und derzeitige Schattenkabinettler Paul Kirchhof hingewiesen, verändert die Rechtslage des Hilfeanspruchs. Bremen habe zudem Hilfe bekommen, “abschließend“, steht in dem juristisch verbindlichen Text.
Der Bremer Senat steckt in einem wirklichen Dilemma. Die Position des Bundesfinanzministeriums würde den Offenbarungseid bedeuten, Bremen würde sich als Bundesland aufgeben, es sei denn, das Land würde in einer Radikalkur ein Drittel seiner Ausgaben streichen und Staatsbedienstete entlassen. Denn: Über eine Korrektur des bis 2019 geltenden Länderfinanzausgleichs will niemand mit Bremen reden. Was bleibt, ist die Ankündigung einer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht. Sie bringt immerhin Zeitgewinn – und ermöglicht es dem Bremer Senat, weiter zu wirtschaften wie bisher und Jahr für Jahr rund 25 Prozent seiner Ausgaben über neue Kredite zu finanzieren. Ein Schwindel erregendes Pokerspiel.