: Der Elitezuschuss als Trostpflästerchen
Unter den Universitäten hat der Wettbewerb um die Elitemilliarden der „Exzellenzinitiative“ begonnen: 25 Universitäten wollen in die Harvard-Klasse der deutschen Hochschulen aufgenommen werden. Aber nur 10 werden den Elitezuschuss von 21 Millionen Euro jährlich bekommen
VON KATHARINA RALL
Die so genannte Exzellenzinitiative war eine schwere Geburt. Ein gutes Jahr musste sich Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) mit den Ländern um den Elitezuschuss für die deutschen Top-Universitäten balgen, weil die nicht recht wollten. Dafür versetzte die geistige Mutter des Förderprogramms die erste Bewerberbilanz nun in überschwängliche Euphorie. „200 Hochschulen haben ihre Bewerbung angemeldet“, sagte Bulmahn. Schade nur, dass sie vor lauter Begeisterung übersehen hat: In Deutschland gibt es nur 88 Universitäten, die sich überhaupt bewerben können.
Die zahlenmäßige Verwirrung ist typisch für das Eliteprogramm. Seitdem die Wissenschaftsminister der Länder an dem 1,9 Milliarden Euro schweren Zuschuss herumzubasteln begonnen haben, wurde das Konzept zwar differenzierter – aber eben auch komplizierter. Normalbürger verstehen die drei Fördersäulen nicht ohne weiteres. Dafür können die Hochschulen Extrazuschüsse bekommen: Erstens die Einrichtung neuartiger Graduiertenschulen; zweitens die Schaffung von Exzellenzclustern, also die Zusammenarbeit mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Und drittens – sofern die beiden vorherigen vorhanden sind – auch für den eigentlichen Elitezuschuss als Universität.
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft zählt genauer. Sie spricht von 400 Absichtserklärungen, darunter 190 für Graduiertenschulen, 192 für Exzellenzcluster und 25 für den Elitezuschuss, der vornehm „universitäre Zukunftskonzepte“ genannt wird. Das bedeutet: 25 deutsche Universitäten zwischen Tübingen und Kiel, zwischen Düsseldorf und Dresden haben sich beworben, um zur Harvard-Klasse der Hochschulen zu gehören.
Formell wird die Deutsche Forschungsgemeinschaft zusammen mit dem Wissenschaftsrat 80 Förderzusagen: Insgesamt 40 der Doktorandenschulen, die vorbildlich wissenschaftlichen Nachwuchs fördern, können jeweils eine Million Euro pro Jahr einstreichen. Für bundesweit 30 Exzellenzcluster als Kooperation von mehreren Forschergruppen sind jeweils 6,5 Millionen Euro vorgesehen. In die deutsche Ivy League werden nur 10 Universitäten auserwählt, sie bekommen jährlich 210 Millionen Euro für den – wie die verschraubte Kompromissformel lautet – „projektbezogenen Ausbau der universitären Spitzenförderung“.
Um in das Programm aufgenommen zu werden, tüfteln die Bewerber an einem individuellen Erfolgsrezept. Die aussichtsreichsten Kandidaten schickten bis zu zwanzig Bewerbungen ein (siehe unten rechts: Absichtserklärungen). Kleine Universitäten halten sich offenbar nur in wenigen Fachbereichen für konkurrenzfähig.
Die Wettbewerbsnachteile der kleinen Hochschulen sind nicht zu übersehen. An der Ernst-Moritz-Arndt-Universität in Greifswald ist es die finanziell schwache Situation des Landes, die Rektor Rainer Westermann zu schaffen macht. Wer den Elitezuschuss als ganze Universität bekommt, so mutmaßt er, wird politisch entschieden: „Bundeskanzler Schröder hat sich schließlich vorgenommen, aus der Berliner Humboldt eine Spitzenuni zu machen.“
Bei Humboldts gibt man sich zugeknöpft. „Wir wollen uns nicht in die Karten schauen lassen“, sagt Sprecherin Angela Bittner zur Strategie der Universität. Nur so viel: Klare Stärke sei der wissenschaftliche Nachwuchs. Mit diesem Pfund will man wuchern – um dann auch als gesamte Universität den Elitezuschlag zu bekommen. Als „Reformuni im Zeichen der Exzellenz“ möchte man Aufmerksamkeit erregen.
Auch München will ganz oben dabei sein. Der Rektor der Münchener Ludwig-Maximilians-Universität (LMU), Bernd Huber, weiß zwar, dass es ein „harter Kampf“ sein wird. Aber die Münchener gelten als Favorit auch für den Elitezuschuss, der für sechs Jahre rund 125 Millionen Euro betragen wird. Die LMU hat sechs Graduiertenschulen und neun Exzellenzcluster eingereicht, mit denen sie thematisch der Aufforderung: Think big nachkommen will.
Auch die Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg legt Wert auf zahlreiche Doktorschulen, die eine Bewerbung auch als Eliteuniversität chancenreich machen könnten. Die Heidelberger haben sich etwas Besonderes ausgedacht: Sie werfen Einrichtungen wie ihre Kinderkrippe in die Waagschale und wollen ihren „Lehrexport ins Ausland“ als Trumpf berücksichtigt wissen. „Wir sind in den Naturwissenschaften besonders stark“, sagt Schwarz, der für Heidelberg Spitzenpositionen in Chemie und Astrophysik prognostiziert. Nur zwei der vierzehn Heidelberger Projekte sind den Geisteswissenschaften zugehörig: „Strategien der Visualisierung im Kultur- und Epochenvergleich“ und „Europa als Weltregion“.
An kleinen Universitäten sind die Geisteswissenschaften noch schwächer vertreten, da sie ausschließlich ihre naturwissenschaftlichen Spitzenfächern ins Rennen schicken. Prorektor Helmut Weiß von der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg kündigt für die erste Ausschreibungsrunde den Cluster Neurowissenschaften sowie eine Graduiertenschule im Bereich algorithmische Methoden an. „Die Hatz wird bald losgehen, wir sind aber sehr gut aufgestellt“, gibt er sich zuversichtlich. Dennoch: Heidelberg, Berlin und München gehen mit rund zwanzig Themen ins Rennen, da ist es für kleine Forschungsstätten wie Magdeburg umso schwieriger, sich zu positionieren.
Die Universität Potsdam bewirbt sich bewusst nur mit drei Projekten, eines davon in Kooperation mit den Berliner Unis Humboldt, Technische und Freie. Als Eliteuni anerkannt zu werden, sieht man in Potsdam gar keine Chance. Und bestätigt damit die Studie des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) aus dem vergangen Jahr: Die deutsche Spitzenforschung ist danach erschreckend dünn gesät. Gerade einmal 11 der 88 deutschen Unis schafften es, mit der Hälfte ihrer Institute international wettbewerbsfähige Forschungsleistungen erbringen.
Selbst wenn die Exzellenzinitiative nun einige wenige Forscherhochschulen fördert, ist Deutschland weit entfernt von Eliteuniversitäten nach amerikanischem Vorbild. „Die Qualität der Lehre spielt keine Rolle für das Förderprogramm, dabei zeigt sich Exzellenz gerade auch in der Lehre“, so das CHE. Die Hochschulen können sich Kritik an Buhlmans Programm derzeit nicht leisten, denn sie alle haben mit den Kürzungen der vergangenen Jahre zu kämpfen. Westermann, Rektor der Universität Greifswald, resümiert das Ergebnis der Elitediskussion beinahe resignativ: „Das Förderprogramm ist ein Trostpflästerchen. Die Länder und auch der Bund kürzen seit Jahren unsere Gelder, die wir nun vielleicht über das Programm wieder für bestimmte Forschungsbereiche erhalten.“