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Archiv-Artikel

DEBATTEN ÜBER DIE GROSSE KOALITION – SO ZAHLREICH WIE ÜBERFLÜSSIG Bitte weiterzappen

Ist dieser Wahlkampf tatsächlich ungewöhnlich kurz? Oder der längste, den es je gegeben hat? Wer den Unterschied zwischen gefühlter und gemessener Zeit nicht kennt, sollte das Spitzenpersonal der Bundestagsparteien bei der erfolglosen Suche nach einem ebenso zündenden wie seriösen Wahlkampfthema beobachten. Danach kennen selbst Politik-Junkies diesen Unterschied. Versprochen.

Schwere geistige Langzeitfolgen darf ein solcher Selbstversuch allerdings nicht nach sich ziehen. Deshalb ist höchste Vorsicht geboten: Wann immer sich ein Politiker im Fernsehen zu einer möglichen großen Koalition äußert, muss weitergezappt werden. Sofort! Andernfalls droht dauerhafter Verlust des Interesses an der gesamten Innenpolitik.

Zur großen Koalition kann nämlich kein Politiker irgend etwas Bedeutendes sagen. Die Grundpositionen sind naturgesetzlich vorgegeben: Die kleinen Parteien wollen ein solches Bündnis nicht. Es schmälert ihren Einfluss. Die jeweils stärkste Partei will es auch nicht. Es schmälert ihre Macht. Und die Vertreter der zweitstärksten Partei sind geteilter Meinung. Je nachdem, ob sie selbst dadurch wichtiger werden oder nicht. So einfach ist das.

Aber vielleicht ist eine große Koalition ja trotzdem gut oder schlecht für das Land, unabhängig von Parteitaktik? Möglich. Aber sie lässt sich nicht herbeiwählen. Wer Angela Merkel als Kanzlerin wünscht, aber keine schwarz-gelbe Regierung will und deshalb die Linkspartei wählt, der überschätzt die Bedeutung der eigenen Stimme. Und unterschätzt die Zahl derer, die ähnliche arithmetische Überlegungen anstellen, aber zu anderen Ergebnissen kommen.

Die Linkspartei soll wählen, wer will, dass ihre Positionen endlich wieder im Parlament vertreten sind. Die Grünen, wer befürchtet, dass die Ökologie von der politischen Agenda verschwindet. Die SPD, wer vermeiden möchte, dass es künftig nur noch eine große Partei gibt – nämlich die Union. All das lässt sich beeinflussen. Die Bildung einer großen Koalition nicht. Deshalb lohnt es nicht, darüber viel zu reden. Und vermutlich wird gerade deshalb darüber viel geredet werden. BETTINA GAUS