: 584 Euro für jedes Kind
GERECHTIGKEIT Als Einstieg in die Grundsicherung will der Bremer Paritätische eine Grundsicherung für Kinder fordern. Kosten: 30 Milliarden Euro
„Es geht um den Ausgleich einer Ungerechtigkeit“, sagt Gerd Wenzel, Vorsitzender des Paritätischen Wohlfahrtsverbands in Bremen. Und meint: Wenn ein Steuerpflichtiger ein Kind zu versorgen hat, dann darf er 584 Euro von seiner Steuerschuld abziehen. Das wird als Bedarf angesehen. Wenn jemand arm ist und keine Steuern bezahlt, dann bekommt er deutlich weniger – vielleicht ein Drittel davon – für sein Kind. Und bekanntlich ist „er“ meistens eine „sie“: Von den 18.000 Alleinerziehenden-Haushalten im Lande Bremen erhalten 54 Prozent Sozialleistungen und davon sind in 94 Prozent der Fälle Frauen betroffen. Das sei ungerecht, sagt Wenzel, und es könnte leicht korrigiert werden: Wenn 584 Euro „Grundsicherung“ für jedes Kind gezahlt würde, ohne wenn und aber. Dies fordert der Bremer Paritätische, wie dessen Geschäftsführer Wolfgang Luz gestern sagte.
Natürlich ist das eine Forderung, die nicht auf Landesebene, sondern nur einheitlich auf Bundesebene durchgesetzt werden kann. Da in Bremen rund 30 Prozent der Kinder auch nach offiziellen Statistiken „in Armut leben“, ist das Land besonders betroffen und es mache Sinn, so Luz, diesen Anstoß von Bremen aus zu geben. Der Bremer Verband will daher in den nächsten Monaten das Thema mit den anderen Landesverbänden erörtern, Ziel ist ein gemeinsamer Vorstoß in Berlin. Gleichzeitig soll die Resonanz auf das Konzept in Bremen in öffentlichen Diskussionen getestet werden.
Denn wenn die Familien mehr Geld bekommen sollen, dann wirft das die Frage auf, wie diese Grundsicherung finanziert werden soll. Es gibt einige Summen, die wegfallen würden – etwa das Kindergeld und die Sozialgeld-Zahlungen für Kinder, die 251 Euro ausmachen. Das Baukindergeld soll aus Sicht des Paritätischen gestrichen werden oder Erbschaftssteuer-Nachlässe.
Unter dem Strich sollen Familien aber mehr für ihre Kinder bekommen, die Ärmsten fast das Doppelte. 30 Milliarden Euro oder mehr müssten für das „Grundeinkommen“ für Kinder aufgebracht werden. Der Paritätische hat eine Sammlung von Finanzierungsquellen aufgemacht, mit denen sich eine solche Summe umverteilen lassen würde: Das fängt bei einem „Kinderlosen-Zuschlag“ auf die Sozialversicherung an, den es bisher nur bei der Pflegeversicherung gibt, und hört beim Mindestlohn und der Streichung der pauschalen Zinsabschlagssteuer auf.
Von dem Vorschlag, das Geld lieber direkt in den Ausbau der Bildungs und Betreuungsangebote zu stecken, hält Wenzel nichts. „Das Geld steht den Familien zu“, sagt er. Und man habe das Vertrauen, dass die Familien das auch gut ausgeben würden, jedenfalls die allermeisten. Die Forderung nach kostenloser Kita-Versorgung sei unabhängig davon und auch richtig, sagt Wolfgang Luz. KAWE