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Elf Millimeter für die Spannung

Beim 2:1-Erfolg von Manchester City gegen Spitzenreiter Liverpool überzeugt der Titelverteidiger vor allem durch seine kämpferische Einstellung. Das Rennen um die Meisterschaft bleibt offen

Treffer: Mit diesem Schuss entscheidet Leroy Sané das Spitzenspiel in der Premier League für Manchester City Foto: reuters

Aus ManchesterHendrik Buchheister

Jürgen Klopp gilt als besonders lebendiger Vertreter der Trainerbranche. Seine Jubelläufe an der Seitenlinie sind ebenso berüchtigt wie seine Auseinandersetzungen mit dem Vierten Offiziellen am Spielfeld­rand. Im Spitzenspiel der Premier League zwischen seinem FC Liverpool und Manchester City am Donnerstagabend wirkte der deutsche Übungsleiter allerdings fast ruhig und gemäßigt im Vergleich zu seinem spanischen Kollegen Josep Guardiola. Während sich Klopp die meiste Zeit an das Gebot hielt, seine Tätigkeit von innerhalb der Coaching Zone auszuüben, verließ Guardiola seinen Arbeitsbereich immer wieder. In der Schlussphase schleuderte er zornig seinen Schal zu Boden, legte sich mit Schiedsrichter Anthony Taylor und dessen Helfer Martin Atkinson an und hatte Glück, dass er nicht auf die Tribüne verbannt wurde für seinen Wutanfall.

Der eigentlich als Ästhet bekannte Ex-Coach des FC Bayern München präsentierte sich phasenweise wie ein unerzogener Raufbold. Das passte zum Auftritt seiner Mannschaft, zu diesem packenden 2:1 gegen den bis dahin ungeschlagenen Tabellenführer aus Liverpool, das neue Spannung in den Titelkampf der Premier League bringt.

Die wichtigsten Zutaten zu Manchester Citys Sieg durch die Tore von Sergio Agüero und dem deutschen Nationalspieler Leroy Sané bei einem Gegentreffer von Roberto Firmino waren nicht unbedingt das typische Kurzpassspiel und die oft betörend wirkende Kontrolle des Geschehens, sondern Kampf, Hingabe und Widerstandsfähigkeit.

Kapitän Vincent Kompany, der mit dem Verein alle drei Meistertitel seit der Übernahme durch Scheich Mansour bin Zayed al-Nahyan erlebt hat, sprach nach dem Ende der anarchischen Veranstaltung davon, dass die Leistung seines Teams alles übertreffen würde, was er bislang erlebt habe. „Wir hatten eine unbeschreibliche Leidenschaft. Wir sind eine bessere Mannschaft, wenn wir mit Emotionen spielen“, sagte er.

Leidenschaft? Emotionen? Das sind doch eigentlich unverkennbare Tugenden von Klopps FC Liverpool. Wenn man so will, hat der amtierende Meister den Herausforderer mit dessen eigenen Waffen geschlagen. Guardiolas Auswahl hat gezeigt, dass sie um den Titel kämpfen will. Dass sie entschlossen ist, ihn mit allen Mitteln zu verteidigen. Und dass sie auch in der Lage ist, auf die robuste Art zu gewinnen, wenn es darauf ankommt.

Mit dem Sieg hat Manchester City eine Vorentscheidung im Rennen um die Meisterschaft verhindert und den Rückstand auf Spitzenreiter Liverpool, im Achtelfinale der Champions League Gegner des FC Bayern, auf 4 Punkte reduziert. Anders als in der vergangenen Spielzeit, als Guardiolas Mannschaft den Titel schon an Silvester so gut wie sicher hatte, könnte das Ringen um die Krone für das beste Team Englands in dieser Saison bis zum Ende spannend bleiben. Und: Es könnten diesmal Details entscheidend sein. Details und ein bisschen Glück. Liverpools Trainer Klopp hatte ja nicht Unrecht, als er dem Schicksal eine Mitschuld am Ausgang des Spiels gab. „Am Ende kann man sagen: Vom Pfosten rein oder vom Pfosten raus macht einen massiven Unterschied“, stellte er fest.

Während der Ball bei Sanés Siegtreffer 20 Minuten vor Schluss vom Gestänge hinter die Linie sprang, prallte Sadio Manés Versuch in der ersten Halbzeit vom Pfosten zurück ins Feld. Als City-Verteidiger John Stones danach klären wollte, schoss er seinen Torwart Ederson an. Stones musste noch einmal nachsetzen und grätschte den Ball von der Linie. Die Messungen der Premier League ergaben, dass Liverpool in dieser Situation nur elf Millimeter zum Torerfolg gefehlt hatten.

Wir sind eine bessere Mannschaft, wenn wir mit Emotionen spielen“

Vincent Kompany, City-Kapitän

Elf Millimeter, die den Ausschlag geben könnten im Rennen um die Meisterschaft. Genauso wie das Urteil von Schiedsrichter Taylor, ein Tackling von Kompany gegen Mohamed Salah nur mit einer Gelben Karte zu sanktionieren, obwohl höchste Verletzungsgefahr für den Stürmer aus Ägypten bestanden hatte. Klopp konnte über diesen Vorfall erwartungsgemäß nicht hinwegsehen: „Wie in aller Welt ist das keine Rote Karte?“, fragte er verblüfft.

Ansonsten machte der ehemalige Trainer von Borussia Dortmund allerdings schnell seinen Frieden mit der Partie. Er hatte im Vorfeld der Veranstaltung davor gewarnt, das Titelrennen schon zugunsten seines Teams für beendet zu erklären, und konnte sich nach der ersten Niederlage der Saison bestätigt sehen. „Es ist keine Überraschung, dass City uns schlagen kann. Wir sind immer noch in einer sehr guten Postion, also ist alles gut für uns“, sagte er.

Die Chancen auf die erste Meisterschaft seit 1990 sind nach wie vor gut für den FC Liverpool. Doch der Weg dorthin ist noch weit, das wurde gegen Manchester Citys Kämpfer und den wütenden Guardiola ersichtlich.

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