Hungern aus Solidarität mit dem Freund

Der frühere Chef des Jukos-Konzerns, Michail Chodorkowski, protestiert gegen die Verlegung seines Geschäftspartners und Mithäftlings Platon Lebedew. Er glaubt, dass diese Strafmaßnahme ihm gilt, und überlegt, für die Duma zu kandidieren

AUS MOSKAU KLAUS-HELGE DONATH

Seit dem vergangenen Wochenende befindet sich der Exchef des Jukos-Ölkonzerns, Michail Chodorkowski, im Hungerstreik. Das teilte am Dienstagabend sein Anwalt Anton Drel mit. Chodorkowski protestiere gegen die Verlegung des Geschäftspartners und Mitangeklagten Platon Lebedew in verschärfte Einzelhaft. Die beiden Öl-Oligarchen waren im Mai wegen Steuerhinterziehung und Betrugs zu neun Jahren Haft verurteilt worden.

„Ich bin aus Solidarität mit meinem Freund in Hungerstreik getreten. Er soll wissen, dass er nicht alleine ist“, heißt es in einer Stellungnahme Chodorkowskis. Lebedew war in der letzten Woche verlegt worden, weil er sich weigerte, am täglichen Hofgang teilzunehmen und sich dem Gefängnispersonal gegenüber unverschämt verhalten habe, begründete die Gefängnisleitung den Schritt.

Lebedews Anwalt Jewgeni Baru wies die Vorwürfe zurück. Der 48-Jährige sei schwer krank, schon Laufen bereite ihm Schmerzen. Zudem sei niemand laut Gefängnisreglement zu Hofgängen verpflichtet. Anträge der Verteidigung, den Häftling von zivilen Ärzten untersuchen zu lassen, hatten das Gericht und die Haftanstalt zurückgewiesen. Lebedew leidet an hohem Blutdruck, Hepatitis B und einem gutartigen Prostatatumor.

Chodorkowski vermutet, die Strafmaßnahme gegen den ehemaligen Mitgesellschafter gelte eigentlich ihm. „Offensichtlich wurde mein Freund in Einzelhaft gesteckt, um sich an mir wegen des Interviews und meiner Artikel zu rächen.“ Beide Gefangenen waren Anfang des Monats aus Vierer- in überfüllte Gemeinschaftszellen mit fünfzehn Häftlingen verlegt worden. Unmittelbar zuvor hatte Chodorkowski der Wirtschaftszeitung Wedomodosti ein Interview gegeben und in einem Beitrag die linke und demokratische Opposition aufgerufen, Kräfte gegen die Politik des Kreml zu bündeln.

Nach der Verlegung Lebedews ließ Chodorkowski am Wochenende durchblicken, dass er überlege, bei einer Nachwahl für ein Mandat in der Duma zu kandidieren. Solange die Einspruchsfrist läuft und das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, ist dies möglich. Bekannte Politiker des demokratischen Aufbruchs in den 90er-Jahren wollen in dieser Woche eine Initiativgruppe gründen. „Soll der Kreml glauben, er demonstriere Stärke. In Wirklichkeit ist dies ein Zeichen der Schwäche“, heißt es in der Stellungnahme des unbeugsamen Oligarchen abschließend.

Im Moskauer Bezirk Universität ist das Mandat durch den Wechsel des früheren liberalen Parlamentariers Michail Sadornow zur staatlichen Außenhandelsbank frei geworden. Selbst wenn Chodorkowski dort mit ausreichendem Wählerzuspruch rechnen könnte, dürfte der Kreml diese Herausforderung nicht tatenlos hinnehmen. Die Einbuchtung Lebedews erschwert auch die Arbeit der Anwälte. Im Karzer hat der Inhaftierte keine Möglichkeit, sich auf den Einspruch vorzubereiten. Dessen Frist läuft am letzten Tag der Einzelhaft ab.