Tod, Teufel, Sturm und Kapital

BÜHNE Mit den ersten drei Inszenierungen beweist das Stadttheater Bremerhaven, dass sich für Theaterfans der Weg an die Küste durchaus lohnt. Ein Überblick

■ „Der Leuchtturm“: Sonntag, 20.30 Uhr, Sonntag, 7. 10., Dienstag, 9. 10., jeweils 19.30 Uhr, Deutsches Schifffahrtsmuseum.

■ „Mefistofele“: Donnerstag, 11. 10., Stadttheater Bremerhaven, Großes Haus.

■ „Enron“: Samstag, 19.30 Uhr, Sonntag, 7. 10., Mittwoch, 10. 10, jeweils 19.30 Uhr, Stadttheater Bremerhaven, Großes Haus.

VON ANDREAS SCHNELL

Klar, Bremen schaut derzeit eher auf das eigene Stadttheater, auf dessen neuen Intendanten Michael Börgerding, auf den hohe Erwartungen gesetzt werden. Aber auch der Blick nach Bremerhaven lohnt nach wie vor, wie die ersten Premieren der mittlerweile dritten Spielzeit unter Intendant Ulrich Mokrusch beweisen.

Los ging’s mit „Mefistofele“ von Arrigo Boito, einer Faust-Oper, die dramaturgisch durchaus knifflig ist. Nicht nur, dass Boito gleich beide Faust-Teile in seine einzige vollendete Oper hineinzwängen wollte, was zu einer rund achtstündigen Erstfassung führte, die 1868 bei ihrer Uraufführung mit Pauken und Trompeten durchfiel. Die Reduktion auf eine zweieinhalbstündige Fassung musste wiederum Abstriche bei der Stringenz machen. Dennoch avancierte das Werk seinerzeit zu einer der beliebtesten italienischen Opern.

Warum, das ließ sich bei Philipp Kochheims Bremerhavener Inszenierung durchaus nachvollziehen. Die Musik sprengt die Stilmittel der italienischen Oper ihrer Zeit, ist von Wagner und Meyerbeer inspiriert und entwickelt große dramatische Wucht.

Nicht zuletzt aber lebt der Abend von den Sängern und Sängerinnen. Mark Morouse, Gast vom Theater Bonn, ist ein großartiger Mephisto, mit kraftvollem Bass und sinistrem Charme. Andrea Shin ist ein glutvoller, leidenschaftlicher Faust, Katja Bördner, neu im Ensemble, bot als Margherita (Gretel) und Helena eine hinreißende Partie.

Eine Stärke des Teams um Mokrusch ist es, mit Kooperationspartnern in der Stadt dem Theater neue Spielstätten und damit natürlich auch neues Publikum zu erschließen. Nachdem schon Orte wie das leerstehende Nordseehotel, das Deutsche Auswandererhaus oder das Theatermagazin bespielt wurden, steht in dieser Saison bereits zum zweiten Mal das Deutsche Schifffahrtsmuseum auf dem Spielplan. Vor der imposanten Kulisse der restaurierten Hanse-Kogge inszenierte Ulrich Mokrusch die Kammeroper „Der Leuchtturm“ von Peter Maxwell Davies.

Klug ist diese Wahl nicht nur, weil der Stoff so gut an die Nordseeküste passt, sondern auch, weil das Werk als Kammeroper mit kleiner Besetzung auskommt. Ein Haus wie das Stadttheater Bremerhaven muss schließlich mit ganz anderen Ressourcen auskommen als größere Stadt- und Staatstheater.

Mokrusch lässt auf einer schwankenden Plattform spielen, an deren Mast die drei Leuchtturmwärter auch mal emporklettern müssen, das Publikum ist so nah an den Sängern wie selten in der Oper, sitzt zum Teil direkt neben dem Orchester, kann die dramatische Wirkung der Musik sozusagen hautnah erleben, das Tosen des Sturms, aber auch die wechselvollen Gemütslagen der Protagonisten.

Die sitzen als Leuchtturmwärter auf einer sturmumtosten Insel fest, ihr Ersatz kann wegen des Seegangs nicht anlanden, die Nerven liegen blank. Und so richtig zusammen passen sie auch nicht, der frömmelnde Arthur (Andrey Telegin), der aufbrausende Blazes (Peter Kubik) und dazwischen Sandy (Thomas Burger), der bestrebt ist, Harmonie zu stiften. Aber das gelingt nur vorübergehend. Die extreme Lage fordert ihren Tribut. Sie sehen Geister, stürmen hinaus, in ihren Untergang. Die drei Sänger bewältigen ihre Rollen inspiriert, Stephan Tetzlaff führt das Ensemble aus Musikern des Städtischen Orchesters zu einer furiosen Darbietung. Eine äußerst sehenswerte Inszenierung.

Nicht ganz so beeindruckend geriet die erste Schauspielpremiere im Großen Haus. Dabei ist „Enron“ ein nach wie vor aktuelles Stück, das einiges von dem aufzeigt, was zu den aktuellen Krisen des Kapitalismus führte. Vielleicht würde man da nicht zu allererst einen komischen Abend erwarten. Aber Lucy Prebbles Stück erzählt seine Geschichte oft mit den Mitteln der Groteske. Was durchaus plausibel ist, angesichts der Strategien des Unternehmens, das sich seine eigene Mülldeponie für faule Kredite schuf und damit die Blaupause für die berühmt-berüchtigten Bad Banks.

Allzweckmittel und zentrales Requisit der Inszenierung von Elina Finkel ist eine Showtreppe, auf der sich die Unternehmenshierarchie vom Patriarchen Ken Ley bis zum Wachmann ebenso abbildet wie das Auf und Ab des Aktienkurses. Und sie ist das schlichte Bild für Aufstieg und Fall von Bösewicht Jeffrey Skilling, den Andreas Möckel glänzend als zynische Gestalt gibt, während in einem dunklen Kämmerlein unter der Show-Oberfläche sein Zauberlehrling Andy Fastow (Sebastian Zumpe), Finanzchef von Enron, das fiktive Kapital vermehrt.

Leider wirkt der Abend etwas unentschieden, könnte mehr Mut zur Überspitzung vertragen. Aber er ist dennoch recht kurzweilig. Was nicht zuletzt den beiden Ratten zu verdanken ist, geführt von den Puppenspielerinnen Julia Brettschneider und Wiebke Alphei. Sie setzen der Inszenierung komische Glanzlichter auf.

www.stadttheaterbremerhaven.de