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Archiv-Artikel

Die Welt auf der Straße

Bereits seit Ende der 1980er Jahre ist die Altstadt Schwertes Schauplatz für großes internationales Straßentheater. Doch die Zeiten für das renommierte NRW-Festival werden immer schwieriger

VON PETER ORTMANN

Eine kleine Kommune kämpft gegen die mächtige Kulturlobby in NRW. Seit Jahren leistet sich Schwerte – trotz Haushaltssicherungsgesetz – das Straßentheaterfestival der Welt. Finanziell unterstützt wird es vom Land schon lange nicht mehr. „Das Festival ist unverzichtbarer Bestandteil der RuhrTriennale“, sagte der damalige Kulturminister Michael Vesper (Grüne) noch 2001. Passiert ist bis heute allerdings nichts. „Wir müssen das so hinnehmen“, sagt Festivalleiter Herbert Hermes der taz. Das Land strebe zu Höherem. Die Kräfte von Schwerte seien „zu schwach im Spiel der Mächtigen“.

Bereits zum 13. Mal treffen sich am Wochenende international renommierte Straßentheater-Truppen im Herzen der Stadt. Himmel und Erde drohen dort dann in Flammen aufzugehen und die Pole scheinen zu schmelzen. Riesenschatten auf den Fassaden des kleinen Schwerter Marktes lassen Unheilvolles erahnen, wenn der Sonnenwagen der Gruppe Anu aus Heppenheim aus dem Dunkel steigt. Die Australier „Snuff Puppets“ kommen mit ihren spektakulären Großfiguren sogar zum ersten Mal nach Deutschland. Nur viermal gastieren sie überhaupt in Europa. Ein enormer finanzieller Aufwand für die Stadt, nur mit Hilfe des australischen Außenministeriums war der Auftritt zu realisieren, bei dem aus einer amorphen Masse langsam skurrile Gestalten der Zauberwelt Forest entstehen. Snuff Puppets waren nicht ohne Grund Teil des kulturellen Eröffnungsprogramms der Olympischen Spiele von Sydney im Jahr 2000. Im zweiten Teil des Abends zeigen sie die Publikumslieblinge, ihre „Tanzenden Kühe“. Allerdings wird die Idylle drastisch von einem Tierschlächter gestört. Zu den Stars des internationalen Zirkustheaters gehört die französische Compagnie Couleurs Mécaniques. Sie hat mit ihrer Erfindung pneumatischer Stelzen Mitte der Neunziger Jahre das moderne Zirkustheater revolutioniert. Schwerelos bewegen sich heute die zehn Stelzentänzer durch den Raum. Sie fliegen wie Vögel, laufen wie Sprinter und vollbringen auf Trampolinen atemberaubende Kunstsprünge. Ihr Programm heißt „Nicht der Rede wert, doch es ändert alles“! und hat ausdrücklich keine Bezüge zur politischen Lage in NRW.

Insgesamt zehn internationale Gruppen teilen sich die zwei Nächte in der Schwerter Innenstadt. Der Besuch bleibt kostenlos. „Wir machen Kultur mit niedrigen Zugangsschwellen“, sagt Kulturbüro-Chef Hermes. Bei Straßentheater könne man keine Eintrittsgelder verlangen. Es werde zwar nach den Performances gesammelt, allerdings decke das nur einen verschwindend geringen Teil des Budgets. Ein paar Jahre kann die Stadt das noch durchhalten. Sie hat dafür ihre Kulturbetriebe privatisiert und in den letzten fünf Jahren drei Kämmerer verschlissen. Bis 2012 muss allerdings noch eine Million Euro eingespart werden und das geht nur noch durch den Verkauf von Immobilien. Sonst sei das alles nicht mehr finanzierbar, so Hermes. In der Vergangenheit habe man bereits die Laufzeit des Festivals um einen Tag reduzieren müssen.

Auch von der Bewerbung des Ruhrgebiets zur Europäischen Kulturhauptstadt 2010 erwartet Schwerte nichts. Sie bekämen zwar immer die bunten Prospekte zugeschickt, seien aber nicht eingebunden worden. Alles liefe ausschließlich in den großen Städten ab. „Von diesen Prozessen sind wir abgenabelt“, sagt Herbert Hermes enttäuscht.

Welttheater der Straße26. und 27. August 2005Infos: 02304-104810