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Archiv-Artikel

Zeitversetztes Brüllen

Wann ist ein Tor ein Tor? Kommt auf die Fernseh-Antenne an. Und da gilt: digital ist spät

Von sim

Bremen taz ■ Dass Zeit relativ ist, das hat Einstein schon vor hundert Jahren behauptet – und man hat ihm nicht geglaubt. Die Kicker von Werder Bremen lieferten jetzt den Beweis, dass auch die so genannte Echtzeit bloß ein schwankendes Konstrukt ist.

Mittwochabend, Weser-Stadion, 68. Minute: FC Basel-Verteidiger Zanni foult Werder-Angreifer Micoud: Elfmeter. Dreißigtausend Blicke verfolgen den Schützen. Und unzählige mehr vor den Fernsehschirmen. Borowski geht ein paar Meter zurück, setzt an zum Start – „Tor“, brüllt es da aus der Kneipe am Eck. Nur: Borowski ist noch mitten im Anlauf, sein Fuß hat den Ball noch nicht berührt! Hat Einstein seine Hand im Spiel?

Hat er nicht. Schuld ist vielmehr DVB-T, das digitale Antennensignal, in dem TV-Programme in Bremen seit Mai 2004 ausgestrahlt werden. Während die Kneipe bereits jubelt, rennt Borowski in der Glotze noch zum Ball, schießt, trifft. 2:0 – jetzt klatscht auch das Wohnzimmer.

„Das digitale Bild muss erst komprimiert werden“, erklärt Werner Eberhardt, Technikchef von Radio Bremen: „Das braucht gewisse Zeit.“ Drei bis vier Sekunden können es sein, einschließlich Dekomprimieren in der Set-Top-Box. Wer noch analog glotzt, etwa über Kabel, ist im Vorteil. „Live“ jedoch ist es auch dann nicht: Schon vom Stadion ins Studio nämlich geht es meist per Satellit, und das braucht gut mal fünf Sekunden.

Zeit hängt von Raum und Geschwindigkeit ab, hat Einstein gesagt. Ergänzen wir: „Echtzeit“ auch von der Sendetechnik. Aus dem time-gap hilft uns der Schiri: Tor ist, wenn er pfeift. sim