Verhaltensregeln gegen den Terror

Großbritannien will in Zukunft Ausländer ausweisen, wenn sie durch ihr Verhalten Terrorismus fördern oder Hass schüren. Im Visier: islamistische Prediger. Die sollen das Land verlassen. Die Vorstellungen des Innenministers Clarke stoßen auf Kritik

VON RALF SOTSCHECK

Der britische Innenminister Charles Clarke hat eine Liste von Tatbeständen des „inakzeptablen Verhaltens“ vorgestellt, die im Falle von Ausländern eine Abschiebung nach sich ziehen sollen. Dazu gehören die Rechtfertigung oder Verherrlichung von Terrorismus, die Anstiftung zu terroristischen Taten oder zu schweren Verbrechen sowie die Förderung von Hass, der zu Gewalt zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen führen kann – sei es durch die Verteilung von schriftlichen Materialien, durch Reden oder Predigten, durch das Internet oder den Unterricht in einer Schule oder Jugendgruppe. Ursprünglich sollte auch die Äußerung extremistischer Ansichten, die nach Meinung der Regierung im Widerspruch zu Großbritanniens Kultur der Toleranz stehen, zur Abschiebung führen. Das sei jedoch zu breit gefasst, sagte ein Sprecher des Innenministeriums.

Die ersten Verhaftungen von extremistischen muslimischen Predigern sollen bereits in den nächsten Tagen erfolgen. Die Regierung hat die Liste, die von Beamten der Einwanderungsbehörde, der Polizei und der Geheimdienste zusammengestellt wurde, bisher zwar nicht veröffentlicht, doch Clarke sagte, sie enthalte die Namen von „bekannten islamischen Militanten“. So steht wahrscheinlich auch Muhammad al-Massari auf der Liste. Der als politischer Flüchtling anerkannte Oppositionelle aus Saudi-Arabien lebt seit 1994 in London, wo er einen Radiosender betreibt, durch den er die Selbstmordattentate auf britische Soldaten im Irak preist. Der Ägypter Yasser al-Siri, der von London aus eine extremistische Internetseite betreibt, soll vermutlich ebenfalls abgeschoben werden. In Kairo wird er wegen eines Anschlags auf die Regierung im Jahr 1993 gesucht, die USA haben im vorigen Jahr erfolglos einen Auslieferungsantrag gestellt.

Aus Sicht von Manfred Novak, dem UN-Sonderbeauftragten für die Untersuchung von Folter, verstoßen die Ausweisungspläne der britischen Regierung gegen radikale islamische Prediger gegen die Menschenrechte. Die bevorstehenden Deportationen „spiegeln die Tendenz in Europa wider, die internationalen Verpflichtungen zu umgehen, wonach niemand deportiert werden darf, wenn die Gefahr besteht, dass er oder sie gefoltert wird“, sagte Novak am Mittwoch.

Clarke wies Novaks Kritik zurück. Die UNO beschäftige sich zu sehr mit den Rechten von Terroristen statt sich um deren Opfer zu kümmern. „Die Menschenrechte derjenigen, die am 7. Juli in London in die Luft gesprengt wurden, sind ehrlich gesagt wichtiger als die Menschenrechte der Leute, die diese Taten begangen haben“, sagte er. Novak entgegnete darauf: „Es gibt bestimmte Grundwerte, die man im Zusammenhang mit Anti-Terrorismus einhalten muss.“

Clarke sagt, dass moderate islamische Organisationen an der Zusammenstellung der neuen Verhaltensliste mitgearbeitet haben. „Die muslimische Gemeinde hat uns laut und deutlich gesagt, dass sie diese Leute nicht im Land haben will“, sagte er. Sämtliche islamischen Organisationen, die von der BBC darauf angesprochen wurden, haben jedoch bestritten, dass sie irgendetwas mit der Namensliste zu tun haben. Mohammad Shahid Raza vom Muslimischen College sagte: „Wir sind sehr besorgt. So etwas erwartet man nicht in Großbritannien. Die Gefahr besteht, dass junge Anhänger eines Imams, der ohne Angabe von Gründen plötzlich deportiert wird, ihrer Wut auf der Straße Luft machen.“

Clarke hofft, dass die ersten Deportationen problemlos vonstatten gehen werden, weil die Betroffenen sowieso mit falschen Papieren eingereist sind. Sie haben jedoch das Recht, gegen ihre Abschiebung vor Gericht zu klagen. Das kann sich zwei Jahre hinziehen.