: Die Entdeckung der Hinterhöfe
OFFENE ATELIERS Mit dem „Kunstwerk im Viertel“ steigt am Wochenende „das eigentliche Viertelfest“ – so jedenfalls fassen viele die geballte Werkstätten-Öffnung mittlerweile auf
Von Henning Bleyl
Wenn sich plötzlich blaue, gelbe oder gar pinkfarbene Markierungen durch das Viertel winden, wissen dessen Bewohner Bescheid: Die Kunsthandwerker und Künstler machen wieder mobil. Bereits zum vierten Mal öffnen sie gesammelt ihre Ateliers und Werkstätten und malen entsprechende Routen aufs Pflaster.
„Von vielen hören wir, das sei für sie das eigentliche Viertelfest“, sagt Frauke Alber, die das „Kunstwerk im Viertel“ mitorganisiert. Zwar hat sich auch das „echte“ Viertelfest mittlerweile nachdrücklich vom Primat der Bratwurst befreit und künstlerisch zugelegt – die Aktion der Atelierarbeiter und Handwerker aber führt naturgemäß viel tiefer ins kulturelle (und ökonomische) Innenleben des Stadtteils.
39 offene Orte verzeichnet das diesjährige Programm: Bildhauer, Buchgestalter, Fotografen, Gemälderestauratoren, Grafiker, Kunsttherapeuten, Modemacher, Textilkünstler, Goldschmiede, Polsterer und und und lassen sich bei ihrer Arbeit über die Schultern schauen – oder erklären zumindest, wie sie arbeiten. Das Interessante daran ist auch, dass die Routen dorthin oftmals in ziemlich unbekannte Nebenstraßen führen.
Alber, selbst Keramikerin, hat in der Schweizer Straße 4a eine ehemalige Tischlerei umgebaut, in der jetzt auch der Maler Bernd Müller Pflug, der Holzgestalter Hergen Böttcher und Stefanie Supplieth (Skulpturen) arbeiten.
Das Gebäude liegt am so genannten Postweg, einer diagonal zwischen Schweizer und Goethestraße verlaufenden unbefestigten Verbindung – der letzte Überrest eines alten Feldwegs, der der außerhalb wohnenden Bevölkerung als Weg zum Postamt diente. Solche Informationen kann man am Wochenende von Stadtführer Joachim Bellgart bekommen, der an beiden Tagen jeweils um 12, 14 und 16 Uhr am Ziegenmarkt eine Erkundungstour anbietet.
Was gibt es Neues in der Szene? Die Namens-Diskussion um „angewandte Kunst“ versus „Kunsthandwerk“ ist durch, die Zeiten, als sich „echte“ Künstler von ihren anwendungsbezogenen Kollegen gern abgrenzten, vorbei – noch beim ersten Versuch vor vier Jahren, das „Kunstwerk im Viertel“ auf die Beine zu stellen, waren solche „Gräben“ durchaus bemerkbar. Nach wie vor beteiligen sich allerdings nur wenige der im Viertel durchaus zahlreichen Instrumentenbauer an der Gemeinschaftsaktion. Dabei zeigen die beiden Ausnahmen, die Klarinetten-Werkstatt in der Brokstraße und das Atelier der Flötenbauerin Margret Löbner am Osterdeich, sehr eindrücklich, wie spannend die filigrane Arbeit zwischen Klang und Material auch für Besucher ist. Zumal man bei Löbner – zumindest im vergangenen Jahr – auch riesenhafte Bassflöten selbst erproben durfte.
Wirtschaftskrise? „Die hat bei uns nicht wirklich zugeschlagen“, sagt Frauke Alber. Insgesamt und langfristig sei sogar eine positive Tendenz erkennbar. Alber: „Das Bewusstsein für Einzelstücke und Handgefertigtes steigt.“
Die Ateliers sind Samstag und Sonntag zwischen 11 und 18 Uhr geöffnet. Infostände mit Adressen und Routenverzeichnis gibt es vor dem „Lustigen Schuster“ (Ostertorsteinweg 67) und am Ziegenmarkt