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Anja Maier BauernfrühstückWenn bei Candy Crush die Farbbombe explodiert

Am Wochenende habe ich mich mal wieder zum Gespött gemacht. Hin und wieder nämlich schnalle ich mir zwei Walkingstöcke an und wackele im unteren Cardiobereich durch Wald und Tann. Seit ich beschlossen habe, dass Nixtun bescheuerter ist als etwas Uncooles zu tun, spüre ich keine Scham mehr. Außerdem wäre ich, sollte der Brandenburger Wolf auftauchen, mit Karbonstöcken bewaffnet.

Ich wackelte also fürbass, als mir eine Kleinfamilie aus dem ostdeutschen Klischeebaukasten begegnete: weiß, übergewichtig, Papas Glatze gewärmt von einer Thor-Steinar-Mütze. Natürlich erwiderten sie nicht meinen erbotenen Gruß, sie waren damit beschäftigt, in ihre Handys zu starren. Wie mir das auf die Nerven geht!, dachte ich. Erstens grüßt man sich in der freien Natur. Zweitens gibt’s weiß Gott schon genug Vorurteile gegenüber uns Ostlern, was Gesinnung und Benimm angeht.

Kürzlich erst hat die geschätzte Kollegin Caroline Rosales in der Zeit geschildert, wie sie und ihre Kinder durch einen Umzug an den Ostberliner Stadtrand dortselbst unter die Wilden fielen. Sie habe gleich gemerkt, schrieb Rosales, „dass der Ton hier anders ist“. Die Eltern gingen „ruppig“ mit ihren Kindern um, beim Kitafest habe es „Deutschland-den-Deutschen-Geraune“ gegeben, einmal sei ihr Sohn beim Fußball von einem Mann mit „Runenkreuz-Tätowierung auf dem Rücken“ angesprochen worden. „Das alles war für mich schwer auszuhalten.“ Rosales sah nur einen Ausweg: die Ummeldung ihrer Kinder in eine innerstädtisch gelegene Privatschule. Bei der Einschulungsfeier dort war dann alles wieder, wie es sich gehört und wofür die Eltern bezahlt hatten: Kollegin Rosales erblickte Jungs, „die waren geschminkt wie David Bowie und haben getanzt. Wie cool, dachte ich.“

An eben diese sich selbst und die Träume ihrer Eltern verwirklichenden Kinder musste ich denken, als die dicke Thor-Steinar-Familie nicht zurückgrüßte. Als meine Kinder hier im Brandenburgischen die Schulen besuchten, dachten auch wir Eltern darüber nach, sie über die Stadtgrenze in eine evangelische Schule zu exilieren. Sollten doch andere ihre Söhne und Töchter als bildungspolitische Labormäuse zur Verfügung stellen; unsere zauberhaften Töchter hatten etwas Weltgewandteres verdient.

Die Fünftage­vorschau

Do., 29. 11.

Hannah Reuter

Blind mit Kind

Fr., 30. 11.

Peter Weissen­burger

Eier

Mo., 3. 12.

Mithu Sanyal

Mithulogie

Di., 4. 12.,

Doris Akrap

So nicht

Mi., 5. 12.,

Franziska Seyboldt

Psycho

kolumne

@taz.de

Das Problem: Unsere Kinder wollten nicht weg. Sie liebten ihre Kindergärtnerin, die heftig berlinerte. Ihre Lehrerin, die dem Genitiv selten eine Chance gab. Ihre Hortnerin, die süßen Instanttee ausschenkte. Sie mochten sogar Romano, der statt zu reden gern mal brutal wurde. Sie haben alles mitgemacht, durchaus gelitten und dann auch selbst ausgeteilt. Und hoppla! Am Ende sind ganz normale Bürgerinnen aus ihnen geworden, die heute mehr als nur ein bisschen darüber wissen, wie es draußen im Lande zugeht. Im Wald zurückgegrüßt wird zum Beispiel schon mal gar nicht, Leude! Erst recht nicht, wenn auf dem Handy bei Candy Crush grad ’ne Farbbombe explodiert.

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