berliner szenen: Heute nicht, morgen nicht
An einem Sonntag muss ich auf dem Weg zu einer Geburtstagsparty noch kurzfristig etwas für die Arbeit machen. Ich setze mich vor ein Café. Als die Batterie meines Laptops aufgibt, arbeite ich vom Handy aus weiter. Ein Mann bleibt vor mir stehen, starrt mich eine Weile an und fragt dann, ob er sich zu mir setzen dürfe.
Ich sehe mich um: Alle anderen Tische sind frei. Ich entgegne knapp: „Ich arbeite gerade und muss mich konzentrieren.“ Dann deute ich auf die anderen Tische und sage: „Hier ist noch überall Platz.“ Er sagt grinsend: „Aber eine Frau wie du muss doch nicht allein sein.“ Und dann augenzwinkernd: „Ich kann mit dir arbeiten.“ Ich entgegne genervt: „Ich muss etwas Wichtiges für meine Arbeit machen und hätte dabei gerne meine Ruhe.“ Er mustert mein Handy, als würde er überlegen, ob man damit tatsächlich arbeiten kann, und sagt dann: „Gut, dann morgen? Oder übermorgen? Ich gebe Dir mein WhatsApp.“
Ich merke: Mit Erklärungen komme ich hier nicht weiter. Also versuche ich es mit Deutlichkeit: Ich gucke so abweisend, wie ich kann, und sage laut und betont langsam: „Sie stören mich. Ich habe keine Lust auf ein Gespräch. Heute nicht, morgen nicht und übermorgen auch nicht.“
Langsam weicht das Grinsen aus seinem Gesicht. Er sieht mich fragend an: „Bist du verheiratet?“ Ich runzle meine Stirn und sage: „Was spielt das für eine Rolle, wenn ich Sie bitte, zu gehen?“ Er tritt einen Schritt zurück und murmelt: „Sie sahen nicht aus, als würden sie arbeiten.“ Und dann, schon im Gehen: „Ich wollte nicht stören, aber eine Frau in so einem schicken Outfit alleine, da dachte ich einfach …“
Ich lächle in mich hinein und beschließe, bei plumpen Anmachen fortan immer gleich deutlich zu werden, statt mit Höflichkeiten Zeit zu verlieren.
Eva-Lena Lörzer
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