berliner szenen: Der Ungar ist in echt ein Hunk
Ich glaub, ich bin komisch. „Weird“ auf Englisch. Richtig weird sogar, denn sonst macht das doch keine*r, das gleiche Buch gleich drei Mal hintereinander zu lesen, oder?
Schuld sind die Eier. Die männlichen. Die, die da so hängen, wenn man sie hat, metaphorisch, in echt. Auf Englisch: „balls“. Schon wieder Englisch, viel Englisch grad in meinem Leben, und genau das ist auch schuld daran, dass ich das Buch jetzt zum dritten Mal lese. Oder eher: Deutsch ist dran schuld. Die Übersetzung des Buches, die deutsche Version. Denn wo da auf Englisch steht, dass der eine so richtig große Eier hat, enge Hosen trägt, um die zu betonen, und dann auch noch gebaut ist wie ’n Schrank, eben ein „hunk“ ist, steht da auf Deutsch: der Ungar.
Wie jetzt, der Ungar? Zwischen „Hungarian“ und „hunk“ ist schon ein Unterschied, find ich. Das geht so nicht!
Ich blättere vor, zum nächsten Auftritt vom hunk. Aber auch da: der Ungar. Der Ungar hackt Holz, und das ist zwar schön für ihn und das tut er in beiden Sprachversionen des Buches, aber ich finde, er sollte dabei kein Ungar sein, sondern eben ein hunk.
Und darum les ich das Buch jetzt ein drittes Mal. Nach dem ersten Mal mit „hunk“ und dem zweiten Mal mit „Ungar“ muss das jetzt sein. Ich will meinen Hunk; da bin ich ganz eigen. Und während ich lese, pass ich ganz genau auf. Aber da steht nichts von einem Ungarn in der englischen Version, kein einziges Wort, nichts über Land, nichts über Leute. Dabei lese ich extra langsam; drei volle Tage brauch ich fürs Buch.
Und dann – ich wag’s kaum zu sagen – les ich das Buch ein viertes Mal, noch mal auf Englisch, aber in normalem Tempo, ohne nach Ungar-Referenzen zu schauen dabei. Einfach so, zum Spaß. Ich glaub, ich bin wirklich komisch-weird. Joey Juschka
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