: Die Abgestürzten
Bislang ist kein Ende für die Talfahrt von Eintracht Braunschweig in Sicht. Nach dem Abstieg in die Dritte Liga hofft man, dass der neue Trainer Ruhe in den Verein bringt
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Von Christian Ottto
Gefühlt war neulich noch alles in Ordnung. Eintracht Braunschweig stand als dieser stolze Verein da, der es 2014 sogar bis in die 1. Fußball-Bundesliga geschafft hat. Offenbar hat der euphorische Ausflug in das besonders grelle Lampenlicht mehr geschadet als genutzt. Negativspirale – so nennt Präsident Sebastian Ebel in diesen Tagen, was die Eintracht schon seit Monaten plagt. Das Scheitern in den beiden Relegationsspielen gegen den VfL Wolfsburg hat vor anderthalb Jahren eine nicht enden wollende Talfahrt eingeleitet.
„Die Lage ist sehr ernst“, sagt Vereinspräsident Sebastian Ebel. Dass Braunschweig als Absteiger aus der 2. Liga auch in der 3. Liga schon wieder am Tabellenende steht, passt nur zu gut ins Bild. Dabei war zehn Jahre lang fast alles gut gelaufen. Den langjährigen Cheftrainer Torsten Lieberknecht hatte in Braunschweig wirklich jeder gern. Den parallel dazu beschäftigten Sportdirektor Marc Arnold zumindest einige. Beide sind mit Rücksicht auf ihre Verdienste extrem lang im Amt verblieben. Offenbar zu lang.
Nach einem missglückten Experiment mit dem Dänen Henrik Pedersen als Trainer darf sich gegenwärtig Andre Schubert als Lieberknecht-Nachfolger versuchen. Ein neuer Sportdirektor wird noch gesucht. Geschäftsführer Soeren Oliver Voigt kämpft gegen Gerüchte an, dass seine Position vakant sein könnte. Er gehört neben Ebel zu den letzten tragenden Säulen eines Konstrukts, das einzustürzen droht.
Wer nachfragt, wie das Dilemma entstanden ist, stößt auf eine Mischung aus Ratlosigkeit und Verzweiflung. „Wir haben nicht alle Themen richtig bewertet“, sagt Präsident Ebel. Ob dieser selbstkritische Ansatz ausreicht, um bei der am 6. Dezember bevorstehenden Mitgliederversammlung die Wogen zu glätten, darf bezweifelt werden. Die Eintracht wird für sich die Frage klären müssen, wer den Vorwurf ausräumen kann, dass es dem Aufsichtsrat an der nötigen sportlichen Kompetenz mangele. Das Kontrollgremium soll am Nikolaustag entlastet und neu besetzt werden. Abgestimmt wird dann auch darüber, wer am Ende zu verantworten hat, dass Eintracht Braunschweig kurz vor dem Absturz in ungeahnte Tiefen steht.
Die jüngere Vita des Vereins liest sich wie eine Beweisführung dafür, was schneller Ruhm anrichten kann. Schon 2014, als Braunschweig wieder erstklassig war, fehlte es in der Euphorie an der Bereitschaft, in die Mannschaft zu investieren. Anstatt sich bessere Spieler zu leisten, wurden zunächst Sünden der Vergangenheit beseitigt. Das Stadion musste modernisiert werden. Außerdem gönnte sich der Verein eine neue Geschäftsstelle und baute sein Nachwuchsleistungszentrum um, für das es auch mehr Personal gab. Und wahrscheinlich hatte die Vereinsführung wirklich geglaubt, mit Lieberknecht einen Messias für die Eintracht gefunden zu haben, der ewiges Glück beschert.
Tatsächlich wurde mit seinem Scheitern und der Trennung im Mai offensichtlich, was alles nicht mehr funktioniert hat. Dass Arnold noch eine neue Mannschaft zusammenstellen durfte, um dann freigestellt zu werden, wirkt im Nachhinein wie ein schlechter Witz.
Mit André Schubert, der als Cheftrainer des FC St. Pauli und von Borussia Mönchengladbach bundesweit bekannt geworden ist, versucht sich ein erfahrener Mann an einer kniffligen Aufgabe. Ihm wird im Braunschweiger Durcheinander eine beruhigende Art bescheinigt. Aber allein das macht einen stark verjüngten Spielerkader noch nicht besser.
Dass frustrierte Fans nach dem verlorenen Heimspiel gegen Uerdingen versuchten, den Platz zu stürmen, passt ins Bild einer desorientierten Eintracht. Ein Sieg aus 15 Saisonspielen und acht Punkte Rückstand in der Tabelle auf die Nichtabstiegsplätze. Das sind die bitteren Zahlen, mit denen sich die Braunschweiger nun auch noch der Regionalliga annähern.
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