: Schäuble muss jetzt Haushaltsdaten sammeln
KABINETTSLISTE Der bisherige Innenminister soll das Finanzressort übernehmen. Für CSU-Star Karl-Theodor zu Guttenberg bleibt demnach nur Verteidigung, Innenminister will er nicht werden. Dafür kommt nun Thomas de Maizière aus dem Kanzleramt
BERLIN taz | Früh hatte sich in den Koalitionsverhandlungen herausgestellt, dass die Besetzung des Finanzressorts für die Kabinettsbildung entscheidend ist. Nicht nur, weil personalpolitisch und parteiarithmetisch fast alles davon abhing. Sondern auch, weil es angesichts der Rekordverschuldung in der kommenden Wahlperiode noch wichtiger ist als ohnehin schon. Ein enorm undankbarer und zugleich enorm einflussreicher Posten. Ein Job, dessen Inhaber mit allen politischen Wassern gewaschen sein muss, das Ohr der Kanzlerin braucht und zugleich über Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit verfügt.
Der Mann, auf den diese Stellenbeschreibung aus Sicht von Kanzlerin Angela Merkel passt, heißt Wolfgang Schäuble. Das zumindest zeichnete sich am Freitagnachmittag ab. Das zentrale Ressort an einen Politiker der FDP oder der CSU zu vergeben, wie zunächst spekuliert worden war, erschien Merkel offenbar als zu riskant. Gleichzeitig hatte Schäuble mit eiserner Kraftanstrengung im Wahlkampf demonstriert, dass er weiterhin einen Kabinettsposten beansprucht. Dafür war er am Ende offenbar bereit, auch das Finanzressort zu übernehmen.
Die Besetzung der Finanzen durch die Union hat wiederum nach bewährter Koalitionslogik zur Folge, dass die Wirtschaft der FDP zufällt. Rainer Brüderle könnte mithin seinen Traum erfüllen und auf Bundesebene das Ministerium besetzen, das er in Rheinland-Pfalz elf Jahre innehatte – nur dass dem Berliner Haus die Kompetenz für Weinbau fehlt. Für den bisherigen CSU-Amtsinhaber Karl-Theodor zu Guttenberg bleibt dann nur die Verteidigung, der er sich als ehemaliger Außenpolitiker verbunden fühlt. Merkels Angebot, alternativ das Innenressort zu übernehmen, schlug er dem Vernehmen nach aus.
Innenminister wird nun wohl der bisherige CDU-Kanzleramtschef Thomas de Maizière, der vernehmlich nach einem eigenen Ressort strebte und als Geheimdienstkoordinator mit Sicherheitsfragen vertraut ist. Ins Kanzleramt soll der bisherige CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla nachrücken und statt der Partei für Merkel nun die Regierungsgeschäfte im Griff behalten. Er gilt als extrem loyal, allerdings verlief das Parteigeschehen in der Vergangenheit nicht immer völlig unfallfrei. Das Großressort für Arbeit und Soziales, für das Pofalla lange im Gespräch war, könnte dann der bisherige Verteidigungsminister Franz Josef Jung übernehmen. Der bisherige parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Norbert Röttgen, galt zuletzt als Favorit fürs Umweltressort.
Als CDU-Generalsekretär könnte Hermann Gröhe nachrücken, den Merkel erst im vorigen Jahr als Staatsminister ins Kanzleramt holte. Gröhe ist ein Verfechter des Merkel’schen Mitte-Kurses. Spekulationen, in der Partei solle das konservative Element stärker bedient werden, hätten sich damit erledigt.
Von Anfang an als gesetzt galt gemäß alter FDP-Tradition die Selbstentsendung von Parteichef Guido Westerwelle ins Außenamt. Dass seine Stellvertreterin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ihre alte Position als Justizministerin wieder einnehmen würde, zeichnete sich ebenfalls frühzeitig ab. Auch Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) hatte kein Geheimnis daraus gemacht, dass sie den Wechsel ins Gesundheitsministerium plant. Allerdings war der niedersächsische Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) am Freitag ebenfalls für diesen Posten im Gespräch. Behält von der Leyen ihr Amt, könnte der FDP-Generalsekretär Dirk Niebel das Entwicklungsministerium leiten.
Weil die CSU mit ihrem geschwächten Parteichef Horst Seehofer am Verhandlungstisch kein wirklich zentrales Ressort abbekommen hat, darf sie zum Ausgleich ein drittes Ministerium besetzen. Neben dem Ressortwechsler Guttenberg bleibt Ilse Aigner im Kabinett, wie bisher zuständig für Landwirtschaft. Neu hinzu kommt Peter Ramsauer, der zuletzt der CSU-Landesgruppe im Bundestag vorstand. Er darf sich um die Verkehrspolitik kümmern.
Als einzige CDU-Politikerin könnte Bildungsministerin Annette Schavan ihr angestammtes Ressort behalten.
RALPH BOLLMANN