daumenkino
: „Bohemian Rhapsody“

Die Konzertszenen sind gänsehauterregend geschnitten

Man hätte gewarnt sein können. „Bohemian Rhapsody“, das seit Langem angekündigte Biopic über die Band Queen, war schon fast abgedreht, da wurde der Regisseur gefeuert. Auch Sacha Baron Cohen brachte das Projekt nicht zu Ende. Der Komiker war für die Rolle des Freddie Mercury vorgesehen und stieg angeblich aus, weil ihm die Vision des Produzenten Brian May als zu „familienfreundlich“ erschien.

May hat Verdienste. Als Gitarrist und Songwriter hat er einige der größten Pop-Songs geprägt, darunter „We Will Rock You“ und „The Show Must Go On“. Und natürlich ging der Budenzauber am Set weiter; Rami Malek wurde verpflichtet, ein schmaler, jungenhafter Mercury, der überzeugend spielt und selbst mit Zahnprothese hölzern geschnitzte Zeilen wie „Ich glaube, ich bin bisexuell“ unfallfrei hinbekommt.

Mehr Gutes gibt es nicht zu berichten – ein Gitarrengott wie May hat eben nicht zwangsläufig Ahnung vom Filmemachen. Ein ambitionierter Produzent hätte das Potenzial für Erotik und Drama in der Vita des an Aids verstorbenen Sängers Mercury erkannt. Natürlich wird ein konservatives US-Studio keinen schwulen Sex inszenieren, doch die Liebesszenen sind so erregend wie ein Zahnarztbesuch und einer queeren Ikone wie Mercury unwürdig. Ein schneller Kuss auf den Mund, ein bisschen Händchenhalten, das muss reichen. Die Lederjacken glänzen, die Föhnfrisuren türmen sich; Blut, Rausch und Abgründe werden kaum einmal angedeutet. Koksspuren auf dem Couchtisch sind der Gipfel des Exzesses.

Nichts ist hier komplex, jede Herausforderung wird auf erbauliche Sprüche reduziert: „Ich habe vor nichts Angst“, „Wir sind nicht irgendeine Band, wir sind Queen.“ Interne Bandkonflikte werden als kindische Kabbeleien gezeigt; Fragen nach den dunklen Seiten des Ruhms schnell beiseite gewischt – wenn man einsam ist, kann man schließlich eine Party feiern. Nicht einmal eine verregnete Abschiedsszene von „Notting Hill“-haften Ausmaßen bleibt den Figuren erspart.

Die Konzertszenen sind angemessen gänsehauterregend geschnitten, auch wenn die Ekstase des Publikums zuweilen so übertrieben wirkt wie in einem Werbespot des Plörre-Herstellers, dessen Schriftzug die prominent auf Mercurys Flügel platzierten Trinkbecher ziert. So bleibt es eine vertane Chance, denn die Rechte an den Queen-Songs dürfte es so bald nicht wieder geben. Dabei hätte man zu gern gesehen, wie sich ein Sacha Baron Cohen als tobender, koksender, vögelnder Freddie ­Mercury im schwarzen Catsuit geschlagen hätte.

Jan Paersch

„Bohemian Rhapsody“. Regie: Bryan Singer. Mit Rami Malek, Lucy Boynton u. a. USA/GB 2018, 134 Min.