ORTSTERMIN: IM RATHAUS EMPFÄNGT DER HAMBURGER SENAT FREIMAURER : Transparente Freimaurer
Von wegen Geheimbund. Dort steht er doch, der Meister der ältesten Loge Hamburgs namens „Absalom zu den drei Nesseln“, in vollem Licht des prunkvollen Kaisersaals des Hamburger Rathauses und spricht über Freimaurerei, einen ethischen Bund, von dem nur wenig wirklich bekannt ist. „Die Freimaurer in Hamburg engagieren sich in Politik, Kultur, Gesellschaft – das tun wir seit mehr als 200 Jahren“, sagt Bernd-Dieter Hessling, Meister der Loge.
Vor dem Meister stehen mehr als hundert geladene Gäste, fast alle sind im Anzug gekommen; und wer keinen trägt, ist gnadenlos underdressed und erntet sofort schiefe Blicke. Noch jemand lauscht dem Meister der Loge: Olaf Scholz (SPD), Erster Bürgermeister der Hansestadt. Er steht direkt vor Hessling, den Unterarm lässig auf einen Tisch gestützt. Und Scholz muss zu Hessling aufblicken, da dieser auf dem Rednerpodest steht.
Aber spulen wir doch ein wenig zurück: Der Kaisersaal ist flugs prall gefüllt, die Luft schnell stickig und die Stimmung angespannt. Man murmelt und tuschelt, schüttelt Hände und umarmt sich. Wie viel Prozent der Gäste wohl Freimaurer sind? „Wat passiert denn jetzt?“, fragt ein älterer Herr. „Die halten doch nur ’ne Rede, nech?“ Man sieht wirklich auffallend viele ältere Männer an diesem Freitagmittag im Rathaus, überall grau meliertes Haar und altbackene Krawatten. Nun ja, immerhin feiern die Gäste das 275. Jubiläum der ältesten Freimaurerloge in Hamburg. Das passt also. Frauen sieht man indes kaum – und wenn, dann sind sie von der Presse.
Ein Mann im grauen Anzug mit Muster läuft hektisch durch den Saal, schüttelt quasi im Vorbeigehen Hände und begrüßt jeden Journalisten persönlich. „Guten Tag, ich bin der Pressesprecher der Freimaurer. Hier ist meine Karte. Machen Sie ruhig Fotos!“ Heißt es nicht, Freimaurerei sei streng geheim und Öffentlichkeit somit unerwünscht? Doch nun hastet hier jemand durch den Kaisersaal des Rathauses und macht PR. Sachen gibt’s.
Der eifrige Pressesprecher läuft zum Mikrofon, sagt, dass es noch etwa zehn Minuten dauere, bis Oberbürgermeister Olaf Scholz sprechen werde. Als der dann endlich kommt, wird es sofort still im großen Saal. „Freimaurerei und Hamburger Bürgersinn ähneln einander“, sagt Scholz, und erinnert in seiner Rede an bekannte Freimaurer wie Gotthold Ephraim Lessing, Goethe, Karl von Ossietzky, ja sogar – kein Scherz – Axel Springer. Scholz redet über die Geschichte des Geheimbundes, sagt, dass die Freimaurer sich nie den Nationalsozialisten unterworfen hätten.
„Und heute?“, fragt Scholz. Für ihn sei Freimaurerei in Hamburg noch immer elementar und ein Bestandteil der Hamburger Kultur. Dennoch fragt er: „Wie viel Öffnung ist sinnvoll?“ Wohl eine rhetorische Frage, denn beinahe augenzwinkernd merkt Scholz am Schluss seiner Rede an: „Den Freimaurern stehen spannende Zeiten bevor.“
Bernd-Dieter Hessling tritt nach Scholz ans Rednerpult, und der Meister der Hamburger Loge sagt dann einen wahrlich schönen Satz: „Unser erklärtes Ziel ist, dass sich jeder Mensch unter Wahrung seiner Würde frei entfalten kann.“ Dafür brauche es jedoch einen „offenen Dialog“. Schon sehr erstaunlich, das aus dem Mund eines Freimaurers zu hören.
Auch Rüdiger Templin, Großmeister der Vereinigten Großlogen von Deutschland, spricht anschließend über Transparenz. Es gehe ihm um die „Öffnung des Schleiers der Weltherrschaft, den die Medien ach so gerne aufgreifen“. Nein, die Welt möchten sie nicht beherrschen, sagt Templin dann, sondern ein Wesensmerkmal der deutschen Kultur sein.
Als letztes spricht Christian Polscher, der Kurator der Freimaurerausstellung in der Rathausdiele. Das Hamburger Rathaus rücke seine Freimaurer ins Rampenlicht, heißt es vom Senat, und das ist auch die Intention all der Reden an diesem Nachmittag: Transparenz zu schaffen. So donnert auch Polscher: „Es handelt sich nicht um einen geschlossenen Geheimbund!“ Schade, dass nur geladene Gäste das mitbekommen.
AMADEUS ULRICH