: Gorleben am Bodensee
Fracking ist umstritten. Vor allem am Bodensee fürchten betroffene Bürger eine Verunreinigung von Trink- und Grundwasser durch diese risikoreiche Gasbohrung. Umso mehr interessieren sie sich für die Firmen, die mit der Energiewende Geld machen wollen. Doch die halten sich bedeckt nach dem Motto: Glaubenskriegen bleiben wir fern
von Susanne Stiefel
Die Claims sind schon abgesteckt. Die englische Bell Exploration hat sich bei Bad Saulgau eine 1.500 Quadratkilometer große Fläche reserviert. Dort ermitteln die Engländer derzeit, wie viel Gas im Schiefer gebunden ist und ob sich die Förderung lohnt. Ihr deutscher Kontaktmann sitzt im Norden Deutschlands und will die ganze Aufregung um Fracking, Umweltschutz und Informationspflicht nicht so recht verstehen. Jurgen Zimmermann ist Geophysiker mit Erfahrungen im internationalen Ölgeschäft, unter anderem für Oil Enterprise, die gegründet wurde, um Nordsee-Öl zu fördern und seit 2002 im Besitz von Shell ist. Heute sitzt der 70-Jährige in Scharbeutz an der Ostsee und soll für Bell Exploration die Wege in Deutschland ebnen. Der Mann wird ungehalten, wenn man ihn auf die Information der Öffentlichkeit anspricht, die die neue Studie des Umweltbundesamts ausdrücklich fordert, und poltert: „Wie viele Gorleben brauchen Sie in Deutschland?“
Nun soll irgendwann im November ein Infoabend in Oberschwaben stattfinden, und Zimmermann fürchtet, dass Hunderte Fracking-Gegner anreisen und „dass unsere Leute ins Messer laufen“. Damit meint er die vier englischen Firmenchefs, mit denen der Geophysiker wöchentlich Kontakt hält. Die seien Ausländer, die auch in den USA Geschäfte machten, und sie hätten kein Verständnis für Tribunale. „Wir“, spricht er für Bell Corporation, „sind gewohnt, dass Regierungen die Politik machen und nicht die Straße. Glaubenskriegen bleiben wir fern.“ Doch ist Fracking ein Glaubenskrieg?
Hydraulic fracturing, kurz Fracking, heißt übersetzt „Zerbrechen mit Wasserdruck“. Diese Technik wird angewendet, wenn das Gasvorkommen in dichtem Gestein, wie etwa dem Schiefergestein am Bodensee, gelagert ist. Erst durch Risse im Schiefer kann das Gas daraus gelöst und gefördert werden. Zunächst wird also senkrecht in die Tiefe gebohrt, bis die gasführende Schicht erreicht ist. Dann knickt die Bohrung horizontal ab. Die Vorbereitungen dauern zwei bis vier Monate. Dann beginnt das eigentliche Fracking: Mit hohem Druck wird ein Gemisch aus Wasser, Sand und Chemikalien in den Untergrund gejagt, der Schiefer gebrochen, Gas strömt nach oben. Gefährlich ist der Chemiemix aus karzinogenen und umweltschädlichen Giften. Und auch die Entsorgung des giftigen Fracking-Abwasser, des sogenannten Flowback, ist nicht gesichert. (Siehe den Kontext-Artikel „Gasfieber am Bodensee“ vom 5. September 2012).
Glaubenskrieg oder berechtigte Kritik?
Peter Druckenbrod hat ein Ingenieurbüro in Freiburg. Das ist praktisch für seinen Auftraggeber Parkyn Energy Germany (PEG), weil die für die Lizenzvergabe zuständige Behörde, die Landesbergdirektion des Regierungspräsidiums, auch dort sitzt. So wurde der Geologe als Sachverständiger angeheuert, der sich, wie sein Kollege Zimmermann für Bell Exploration, um fachliche und behördliche Aufgaben vor Ort kümmert: Die PEG hat sich zwei Konzessionen in den Gebieten um Konstanz und Biberach mit einer Fläche von 2.500 Quadratkilometer gesichert. Doch immer öfter muss der Freiburger Geologe inzwischen Fragen zu seinem Auftraggeber und zur Gefährlichkeit der unkonventionellen Gasbohrung beantworten. Besorgte Bürger haben eher zufällig von der Vergabe der Claims erfahren, nun wollen sie mehr wissen. „Natürlich ist es unsere Aufgabe, uns der Öffentlichkeit darzustellen“, sagt Druckenbrod, „wir planen ja eine Veranstaltung, vermutlich schon im November.“
Bell Exploration und PEG sollen informieren
Auf diese Informationsveranstaltung wären auch die Bürger am Bodensee gespannt. Doch die müssen, so Druckenbrod, draußen bleiben. Eingeladen seiennur ausgewählte Gäste, „nämlich Vertreter aus den betroffenen Landkreisen und Wasserversorger“. Doch betroffene Bürger wollen mehr wissen über die Firmen, die in ihrer Gemeinde und womöglich auf ihrem Grund ihre Claims abgesteckt haben. Doch dazu kann auch Druckenbrod wenig sagen. Seine Kontaktleute bei 3Legs Resources, der Mutter von PEG, sitzen in London. „Ich habe dort meine fachlichen Ansprechpartner“, sagt der Geologe.
Wer von 3Legs Resources auf der vom Freiburger Regierungspräsidium initiierten Veranstaltung Rede und Antwort stehen werde, sei noch unklar. „Wenn ich mehr wüsste, wäre ich auch froh“, sagt Druckenbrod in Freiburg, „dann könnte man da endlich einen Knopf hinmachen.“ – „Wir von Bell Exploration müssen noch intern beraten“, sagt Jurgen Zimmermann in Scharbeutz. Die Freude an dieser Veranstaltung scheint bei beiden Firmen nicht groß zu sein.
Groß ist die Gier nach Gas. Wenn Rohstoffe knapp werden und die Energiewende ausgerufen wird, werden auch aufwendigere Verfahren wie das Fracking ein gutes Geschäft. Dann stecken Energiekonzerne gerne vorsorglich ihre Claims ab, damit die Konkurrenz außen vor bleibt. Die Beispiele aus den USA zeigen, dass dabei mehr auf Profit als auf Umweltverträglichkeit geachtet wird. Umso genauer schauen Fracking-Kritiker auf die Konzerne, die sich die Aufsuchung unkonventioneller Gasvorhaben haben sichern lassen. Denn wer eine Risikotechnologie einsetzen will, noch dazu in einem Trinkwasserschutzgebiet, das vier Millionen Menschen versorgt, braucht Vertrauen.
Vertrauen fällt Siegfried Lehmann schwer. Der grüne Landtagsabgeordnete beschäftigt sich mit dem Thema Fracking, seit er in seinem Wahlkreis Konstanz eher zufällig von der Lizenzvergabe an Bell Exploration und Parkyn Energy Germany erfahren hat. Er stellte fest, dass die Informationen über beide Firmen mager und wenig durchsichtig sind: ein Geflecht von Firmen, Beteiligungen und Subunternehmen, beide Lizenznehmer wurden erst kurz vor der Lizenzerteilung gegründet, 3Legs Resources ist gelistet im Steuerparadies Isle of Man. „Wenn man sich das anguckt, hat man kein gutes Gefühl“, sagt Lehmann, „das wirkt intransparent.“ Dieses ungute Gefühl teilen auch die Fracking-Kritiker in Oberschwaben, die sich im BUND Pfullendorf organisiert haben. Sie wollen endlich wissen, mit wem sie es zu tun haben und welche Pläne Bell Exploration und PEG am Bodensee verfolgen.
Fracking sei eine derzeit unkontrollierbare Methode der Energiegewinnung, sagt eine neue Studie der Landesregierung Nordrhein-Westfalen, wo Probebohrungen gestoppt wurden und derzeit politische Konsequenzen diskutiert werden. Zu undemokratisch, zu intransparent, zu umweltschädlich, befindet eine vor kurzem veröffentlichte Studie des Umweltbundesamts und fordert: Das Bergrecht muss geändert werden.
Es ist das Landesbergamt in Freiburg, das Referat 97 im dortigen Regierungspräsidium, das die Aufsuchungslizenzen für Bell Exploration und PEG genehmigt hat. Landesbergdirektor Axel Brasse, weiß, was zu tun ist, wenn man sich ein Claim sichern will: „Sie müssten mir erklären, was Sie vorhaben, und mir glaubhaft machen, dass Sie das finanziell packen.“ Und er weiß auch, was diese Genehmigung kostet: „2.500 Euro je Lizenz plus eine Feldabgabe pro Quadratkilometer von 5 Euro im ersten Jahr, im zweiten 10, im dritten 15 bis zu 25 Euro im fünften Jahr.“
Bell Exploration und PEG haben Brasse also ihre Pläne und ihr Finanzierungskonzept vorgelegt und eine Erklärung ihrer Hausbanken und ihrer Vorstände geliefert. Wie die aussehen, will Brasse nicht verraten: Firmengeheimnis. Für die Aufsuchungslizenz hat es jedenfalls gereicht, die von PEG wurde kürzlich sogar um zwei Jahre verlängert. Diese Lizenz berechtigt zur Auswertung von Daten; jeder weitere Schritt muss extra genehmigt werden, etwa, wenn es um erste Probebohrungen geht. „Dann wird noch genauer geguckt, ob die Firmen frisch entstanden sind oder ob es sich um alteingesessene Unternehmen handelt“, sagt Brasse. „Denn sie müssen bei Schäden ja greifbar und außerdem in der Lage sein, die Informationsanforderungen der Bevölkerung zu bedienen.“ Das klingt gut, aber genau daran haben Kritiker ihre Zweifel.
Interessant wird sein, ob zu der in Oberschwaben geplanten Veranstaltung auch die interessierte Öffentlichkeit eingeladen wird. Oder ob die Firmenvertreter und Experten sich nur mit Vertretern der Landkreise und der Wasserversorger zusammensetzen. Ort und Termin, sagt Bergdirektor Axel Brasse auf Nachfrage von Kontext, würden rechtzeitig öffentlich bekanntgegeben.