Altes Testament

Der Berliner Technoproduzent Michael Wollenhaupt alias Ancient Methods hat ein unbarmherziges Album über den Fall von Jericho veröffentlicht

Kunst muss es mit der Wahrheit zum Glück nicht so genau nehmen

Von Andreas Hartmann

Sechs Tage ließ Josua das Volk der Israeliten Jericho umkreisen, am siebten Tag gleich siebenmal hintereinander, Priester bliesen in ihre Hörner. Und die Mauern von Jericho stürzten ein. Danach töteten die Israeliten jeden einzelnen Bewohner. So wird der Fall der Stadt Jericho, heute in den palästinensischen Gebieten gelegen, in der Bibel beschrieben. Eine krasse Story, ein irre blutiger Mythos, auch wenn an der Geschichte mit großer Sicherheit nichts dran ist und nie irgendwelche Mauern durch noch so ohrenbetäubenden Lärm zum Einsturz gebracht wurden.

Völlig egal, was die Wissenschaft sagt, die Kunst muss es mit der Wahrheit zum Glück nicht so genau nehmen. Und kann sogar die Bibel zitieren, wenn dabei ein Monster von Techno-Album herausspringt wie das des Berliner Produzenten Michael Wollenhaupt alias Ancient Methods. Der hat nach zig Maxis nun sein Debütalbum mit dem Titel „The Jericho Records“ veröffentlicht und verarbeitet dabei ein Kapitel aus dem Alten Testament zu einem Konzeptalbum.

Wer sagt denn, dass dieses Werk, bei hoher Lautstärke gehört, nicht doch Mauern zum Einsturz zu bringen vermag? Schließlich ist Wollenhaupts peitschender Industrial-Techno brutal und unbarmherzig. Das Ganze funktioniert ein die TV-Serie „Game Of Thrones“, nur eben serviert als Brutalosound. Die Vernichtung einer Stadt, inklusive hörbar gemachtem Schlachtengetümmel, wird als eine Art Techno-Hörspiel geschildert.

Die Hörner von Jericho, man hört sie in so manchem Track. Die Nummer „Swordplay“ entspringt dem Geklirr von Schwertern, das in dem Stück langsam rhythmifiziert wird. Sogar arabeske Klangmomente wurden in einzelne Tracks eingebaut, damit immer klar bleibt, dass sich das akustisch Geschilderte im Nahen Osten zugetragen haben soll.

Überall Knalleffekte, Überwältigungsmaschen und immer von allem viel zu viel, das ist das Konzept von Michael Wollenhaupt. Ständig ist er nah dran am Bombastkitsch und doch verzeiht man ihm stets seine teils doch sehr plakative Herangehensweise. Allein deshalb, weil man schon lange nicht mehr so durchgeschüttelt wurde von einem Technoalbum, der Dramaturgie in den Tracks sei dank. Und dann setzt auch schon die Bassdrum ein und zermalmt alles, so läuft es immer wieder, ohne dass man genug davon bekäme.

Hilfe aus dem Ausland

Gastproduzenten wie Regis und Prurient wirken auch mit, die auch so einiges davon verstehen, mächtig Krach zu machen. Aber auch Cindytalk, eine britische Postpunk-Legende, konnte für eine Nummer gewonnen werden. Mit deren Hilfe klingt An­cient Methods dann weniger hart als vielmehr sphärisch-dräuend . Bei aller Härte, es bleibt abwechslungsreich auf diesem Album.Der Fall der Mauern von Jericho ist bereits in den unterschiedlichsten Kontexten aufgetaucht.

Die deutschen Sturzkampfflugzeuge Junckers JU 87 wurden im Zweiten Weltkrieg mit sogenannten Jericho-Trompeten ausgerüstet, deren Klang den Feind vor Angst erblassen lassen sollte. Die deutsche Speedmetal-Band Helloween hat die Klangattacken ihres Debütalbums „Walls of Jericho“ genannt. Und nun kommt Ancient Methods und legt mit seiner Bibel-Interpretation erneut alles in Schutt und Asche.

Ancient Methods: „The Jericho Records“ (Ancient Methods)