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Archiv-Artikel

Mit Herz und Sammelbüchse

Panter-Kandidat (11): Holger Hanisch betreibt ein Café für Obdachlose in Hamburg

An dieser Stelle porträtieren wir jeden Samstag eine(n) von zwölf KandidatInnen für den taz-Panter-Preis.

Einige Treppenstufen führen hinunter in das „Cafée mit Herz“, eine Begegnungsstätte für Obdachlose und Arme in den Räumen des ehemaligen Hafenkrankenhauses in St. Pauli. „Eigentlich gefällt es mir nicht, dass diejenigen, die ohnehin schon ganz unten sind, auch noch in den Keller müssen“, sagt Holger Hanisch. Er ist der Gründer und Geschäftsführer des Cafés, das seit fünf Jahren über 100 Menschen täglich mit Essen, Trinken und Kleidung versorgt.

In einer kleinen Führung stellt der 55-Jährige seine Einrichtung vor: Neben Küche, Ess- und Aufenthaltsraum gibt es eine Kleiderkammer, aus der sich arme Menschen Sachen zum Anziehen mitnehmen können. „Obdachlose sollen nicht verwahrlost aussehen“, sagt Hanisch und öffnet die Tür zu einem kleinen Beratungszimmer, in dem er und sein Team den Betroffenen Hilfestellung leisten. An der Wand im Flur stehen Regale mit Büchern und Gesellschaftsspielen. „Geistige Nahrung ist ebenso wichtig wie warme Mahlzeiten“, meint Hanisch und weist den Weg in sein Büro. Gemeinsam mit einer weiteren Vollzeitbeschäftigten und rund 30 ehrenamtlichen Helfern betreibt er das „Cafée mit Herz“ und den angeschlossenen gemeinnützigen Verein. Der Treffpunkt für Menschen, die in Not geraten sind, wird ausschließlich durch Spenden finanziert. Da neben den Speisen und Getränken, die jeden Tag von 14 bis 18 Uhr angeboten werden, auch die Miete für die Räume bezahlt werden muss, ist das Geld, das von 300 Mitgliedern und Einzelspendern zusammenkommt, in der Regel knapp. „Doch dank Holger kriegen wir das Nötigste immer zusammen“, sagt Margaret Mader-Evans, eine der ehrenamtlichen Helferinnen, die einen Kaffee zum Gespräch serviert.

Denn Holger Hanisch geht sammeln. Jeden Donnerstag, Freitag und Samstag ist er abends in den Kneipen unterwegs und bittet um Spenden für sein „Cafée mit Herz“. Er zeigt eine verbeulte Sammelbüchse, die gerade durch eine neue ersetzt wurde. „Bis zu 1.000 Euro bringt Holger pro Wochenende mit“, sagt Margaret Mader-Evans und ergänzt, dass er schon sehr bekannt ist im Kiez. Kein Wunder. Denn Holger Hanisch ist nicht erst sei fünf Jahren aktiv, er hat bereits für den Erhalt des Krankenhauses im Hamburger Hafen gekämpft – leider vergeblich. Er war damals einer der treibenden Kräfte der Bürgerinitiative „Ein Stadtteil steht auf“. Und als im Winter 1998 ein Obdachloser erfror, setzte er durch, dass die Station D des ehemaligen Krankenhauses für Menschen ohne Bleibe geöffnet wurde. Daraufhin entstand die Idee, ein Café für Arme zu eröffnen. „Ich will nicht nur reden, sondern handeln“, erklärt Hanisch, der bereits einen Teil seiner Abfindung, die er beim Quittieren seines kaufmännischen Berufs erhalten hat, in das Projekt gesteckt hat.

Und die Obdachlosen und Arbeitslosen danken es ihm. „Das Café wird unheimlich positiv aufgenommen“, sagt Hanisch. Rund ein Viertel der Gäste sei relativ jung, zwischen 20 und 30 Jahre alt, etwa zehn Prozent Frauen kämen regelmäßig in die Einrichtung. „Auch Kinder sind dabei“, sagt Hanisch ernst. Willkommen sei jeder im „Cafée mit Herz“, allerdings dürfe niemand alkoholisiert auftauchen. „Und unsere leckeren Suppen, die sind bis weit über den Kiez hinaus bekannt.“ JUTTA HEESS