die woche in berlin
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Ein deutscher Großkonzern plant einen „Innovationscampus“ in Spandau, und Berlins Regierungspolitiker stehen Kopf. In Brandenburg wird das Polizeigesetz erheblich verschärft. Auszubildende finden kaum noch eine bezahlbare Bleibe. Und was bedeutet die Diskussion über die Merkel-Nachfolge eigentlich für die Landes-CDU?

Smart ist nicht sozial

Siemens plant „Innovationscampus“

So schön wird die Zukunft“, kommentierte die Sprecherin der Senatskanzlei allen Ernstes das kitschige PR-Video, welches Siemens vor versammelter Presse am Mittwoch im Roten Rathaus zeigte. Zusammen mit dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) und Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) verkündete der Großkonzern feierlich, in Spandau einen sogenannten Innovationscampus errichten zu wollen.

Müller und Pop stimmten genauso begeistert in den Kanon der gegenseitigen Lobpreisungen ein, der sich durch die Pressekonferenz zog. „Wir freuen uns, Siemens zurück in Berlin begrüßen zu dürfen!“, so Pop mit glänzenden Augen.

Grund dafür wird auch Siemens’ Vorstandvorsitzender Joe Kaeser gewesen sein, der nicht mit großen Worten sparte. „In Berlin gab es Gründerkultur schon, da gab es im Silicon Valley noch gar keine Garagen“, so der Konzernchef mit einem Seitenhieb auf den Internetriesen Google. Auf keinen Fall solle Siemens’ geplanter Technologie-Hub die angestammte Bevölkerung verdrängen, wie es in San Francisco oder Seattle geschehen sei. Stattdessen wolle man die digitale Zukunft integrativ und sozial gestalten. Auf dem Industriegelände der Siemensstadt will das Unternehmen auch Wohnraum schaffen, eine „Smartcity“ soll entstehen, in der Arbeit, Wohnen und Forschung digital vernetzt kombiniert werden sollen.

Glaubt man Kaesers großspurigen Ankündigungen – und in Spandau wird tatsächlich über die Zukunft des urbanen Lebens entschieden –, wäre von Müller, Pop und Co zu wünschen, dahingehend deutlich mehr Gestaltungsspielraum einzufordern. Anstatt dem Großkonzern nur alle Wünsche von den Augen abzulesen, indem man Denkmalschutzvorgaben lockert und alle Kosten für die Standorterschließung übernimmt, sollte der Senat sicherstellen, dass die Standauer Mieter*innen nicht von der anrollenden Tech-Elite verdrängt werden. Milieuschutz ausweiten, den geschaffenen Wohnraum in Besitz landeseigener Unternehmen überführen und eine echte Beteiligung der Bürger*innen bei der Planung wären das Mindeste.

Stattdessen scheint der Senat dem veralteten neoliberalen Credo „Was gut für die Wirtschaft ist, ist auch gut für die Stadt“ zu folgen. Und bei wichtigen sozialen Fragen allein auf die wohlklingenden Phrasen eines Konzernchefs zu vertrauen, dessen Firma derzeit wieder mit Massenentlassungen zeigt, das sie Profite über alles andere stellt. Jonas Wahmkow

Kontroll- wahn im Kiefernwald

Brandenburg verschärft das Polizeigesetz

Nun also Brandenburg. Wie in anderen Bundesländern soll auch zwischen Uckermark und Lausitz das Polizeiaufgabengesetz verschärft werden. In dieser Woche hat das rot-rote Kabinett einen entsprechenden Entwurf abgesegnet. Die Polizei soll weitgehendere Befugnisse erhalten – auch wenn keine konkrete Gefahr vorliegt. Danach könnten bei terroristischer Gefahr Verdächtige künftig bis zu vier Wochen in Gewahrsam genommen werden. Zudem sollen für sogenannte Gefährder Aufenthalts- und Kontaktverbote ausgesprochen werden und ihre Messengerdienste überwacht werden können. Doch es geht nicht nur um Terror. In den märkischen Kiefernwäldern könnten Ausflügler künftig landesweit anlasslos von der Polizei kontrolliert werden. Könnte ja sein, dass etwas nicht stimmt.

Komisch nur, dass Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) noch im Frühjahr stolz ein Rekordtief der registrierten Straftaten verkündete: „Brandenburg ist sicherer geworden.“ Auch die Aufklärungsquote ist die beste seit zehn Jahren – und das, obwohl die Brandenburger Polizei mit 8.000 Beamten über so wenig Personal wie noch nie seit der Wiedervereinigung verfügt. Und auch bei Gewaltstraftaten liegt Brandenburg im letzten Drittel der Bundesländer: relativ zur Einwohnerzahl gibt es nicht mal halb so viele wie in Berlin.

Warum also die Verschärfung?

In zehn Monaten wird der Landtag neu gewählt. Schröter will sich nicht von der Opposition aus CDU und AfD rechts überholen lassen. Erstere hat sogar einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt. Unproblematisch ist das Gesetz auch für die mitregierenden Linken nicht. Auf deren Drängen wurde der Entwurf zwar abgemildert. Doch das letzte Wort scheint noch nicht gesprochen: Fraktion und Parteivorstand werden erneut prüfen, ob in dem Gesetzentwurf der Schutz der Freiheitsrechte ausreichend berücksichtigt worden sei, sagt Linken-Landesvorsitzende Anja Mayer.

Und am Samstag nächster Woche soll es in Potsdam eine Demonstration gegen das Gesetz geben. Marco Zschieck

Auch an den Rand gedrängt

Gewerkschaft fordert Wohnheime für Azubis

Die Arbeitsagentur veröffentlichte am Dienstag die aktuellen Zahlen zur Lage am Ausbildungsmarkt. In Kurzform: Knapp 3.500 BewerberInnen ohne Stelle, aber auch 1.800 Stellen unbesetzt, dazu eine Abbrecherquote, für die man sich im Bundesvergleich nur schämen kann.

Das rief den Deutschen Gewerkschaftsbund auf den Plan: Alles kein Wunder, die spärlich bezahlten Azubis finden ja keinen Wohnraum mehr. Eine Problematik, der auch die Industrie- und Handelskammer nur beipflichten konnte. Beide Institutionen forderten extra Wohnraum für Lehrlinge, auch die politisch zuständige Senatsverwaltung zeigte sich aufgeschlossen. Damit würde das Modell Schwesternwohnheim quasi ins neue Jahrtausend überführt.

Klingt erst mal recht naheliegend. Aber seien wir ehrlich: In einer Stadt, in der selbst Projekte für Menschen ohne jeglichen Wohnraum kaum noch Platz finden, sind die Azubis nur eine Gruppe prekär lebender Menschen mehr, die an den Rand gedrängt werden. Mit dem schwindenden Angebot an bezahlbarem Wohnraum wachsen die Bedürftigkeiten. Die Wohnraumnutzungsgruppen, die nunmehr mit extra Wohnraum versorgt werden müssten, waren vielfach als solche vorher gar nicht sichtbar. Wir brauchen Wohnraum für alleinerziehende Eltern, Menschen in Alters­armut, Obdachlose, psychisch Erkrankte, Flüchtlinge, StudentInnen, Auszubildende, Jugendliche, die nicht mehr zu Hause wohnen können, Künstler und Lebenskünstler … Aufzählung unvollständig.

Wohneinrichtungen für eine dieser Gruppen verdrängen in solch einem Umfeld nur ebenso benötigte Einrichtungen für eine ebenso bedürftige Gruppe. Die Bettdecke ist einfach immer irgendwo zu kurz, wenn sie zu klein ist. Das soll jetzt bitte kein Plädoyer dafür sein, es doch gleich ganz sein zu lassen mit Wohnprojekten für Gruppen, die nur noch schwer Raum zum (Über-)Leben finden. Diese recht banale Überlegung soll vielmehr dahin führen, dass das Ziehen am Betttuch nur der naheliegendste Reflex ist.

Will man wirklich in einer sozial inklusiven Stadt leben und regieren, braucht es Grundlegendes: durchgreifende Regulierung der Miethöhen, konsequente Erhöhung des landeseigenen Bestandes, radikales Vorgehen gegen Bodenspekulation, Ausweitung des Vorkaufsrechts. Alles noch zu zaghaft hier. Mit dem Besitz von Wohneigentum lässt sich in Berlin prima Geld verdienen? Das ist das Grundproblem, aber kein notwendiger Zusammenhang.

Manuela Heim

Es wird schwer für Grütters

Berliner CDU und Merkel-Nachfolge

Noch nicht einmal eine Woche ist es her, seit Angela Merkel ihren Rückzug vom Parteivorsitz angekündigt hat, und schon herrscht in der CDU heilloses Durcheinander. Jens Spahn, Friedrich Merz und Annegret Kramp-Karrenbauer kandidieren für die Merkel-Nachfolge, und so müssen sich auch die Berliner CDU-Delegierten entscheiden, wen sie beim Bundesparteitag im Dezember in Hamburg unterstützen.

Wem die Sympathie der Landesvorsitzenden gehört, ist kein Geheimnis. Monika Grütters wurde von Angela Merkel zur Staatsministerin für Kultur gemacht und zählt zum Merkel-Lager. Damit müsste sie sich eigentlich für Annegret Kramp-Karrenbauer einsetzen. Alle drei Politikerinnen stehen für eine liberale CDU-Großstadtpolitik.

Doch Grütters ist nicht die Berliner CDU. Mit Burkard Dregger ist vor Kurzem ein Konservativer zum Fraktionschef gewählt worden, der liberale Mario Czaja ist gar nicht erst angetreten. Grütters, hieß es, wolle damit den konservativen Flügel einbinden.

Das war machtpolitisch sicher nicht unklug. Ob es aber auch von Erfolg gekrönt sein wird, wird sich nun bei der Merkel-Nachfolge zeigen. Und da sind Zweifel ob der Führungsstärke von Monika Grütters angebracht. Eine frühe Festlegung des Landesverbands – sie wäre eine Art Empfehlung für die Delegierten der Berliner CDU – gab es bislang nicht. Gut möglich, dass die Abstimmung am Ende freigegeben wird. Das aber wäre dann das Eingeständnis, dass bei der Berliner CDU jeder und jede machen kann, was er oder sie will – auch für Friedrich Merz und Jens Spahn stimmen.

Dass es so kommen könnte, bestätigte gegenüber der taz der Berliner CDU-Generalsekretär Stefan Evers am Freitag. „Wir wollen zunächst abwarten, ob es eine Berliner Regionalkonferenz geben wird“, so Evers. Er selber sei aber gegen ein „imperatives Mandat“. Auch in anderen Landesverbänden werde die Abstimmung wohl freigegeben.

Zwar wird das Votum der Berliner Delegierten nicht entscheidend sein, sie haben nur 30 von 1.001 Delegierten. Es könnte aber etwas aussagen, wohin die Richtung der Berliner Christdemokraten für die Abgeordnetenhauswahl 2021 geht. Noch hat sich Grütters nicht entschieden, ob sie als Spitzenkandidatin antritt. Die Diskussionen, die die Berliner CDU in den kommenden Wochen führt, werden nicht für die Merkel-Nachfolge, aber für Monika Grütters richtungsweisend sein. Uwe Rada

Und da sind Zweifel an der Führungs- stärke von Monika Grütters angebracht

Uwe Rada über die Berliner CDU nach der Entscheidung Angela Merkels, nicht mehr für den Parteivorsitz zu kandidieren