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Archiv-Artikel

„Oskar de Luxe schreckt ab“

Ex-Umweltministerin Bärbel Höhn über ihren Nachfolger, das SPD-Trauma und ihre Zukunft in Berlin

„Mein Nachfolger hat selbst eine Windkraftanlage auf seinem Hof stehen“

INTERVIEW: A. JOERESC. SCHURIAN, M. TEIGELER

taz: Frau Höhn, knapp zwei Monate sind Sie jetzt nicht mehr NRW-Umweltministerin. Die CDU hat Ihr viel gescholtenes Ressort nicht zerschlagen. Hat Sie das überrascht? Bärbel Höhn: Nein, das hat mich nicht groß überrascht. Auch andere CDU-Länder haben Umwelt und Landwirtschaft in einem Ministerium zusammengefasst. Die machen jetzt aber den Schwerpunkt Landwirtschaft und vernachlässigen leider Umwelt- und Verbraucherschutz.

Umweltschützer kritisieren mittlerweile, Agrar- und Verbraucherschutz gehörten nicht in ein Ressort.Man muss Themen, zwischen denen es Konflikte gibt, zusammen bringen und Probleme lösen. Wenn sich zwei getrennte Ministerien um Landwirtschaft und Verbraucherschutz kümmern, gibt es den Konflikt dann halt im Kabinett. [Der neue Umweltminister Eckhard] Uhlenberg sagt zwar, jetzt würde endlich mal mit den Leuten geredet. De Facto heißt das doch, dass er zum Lobbyisten der alten Landwirtschaftsvertreter wird und den Naturschutz zurückdrängt. Das ist schlecht, und das werden die Leute nicht lange mitmachen.

Was werfen Sie Ihrem Nachfolger Uhlenberg konkret vor?Uhlenberg stellt sich an wichtigen Punkten voll gegen die Mehrheit der Bevölkerung. Entgegen den CDU-Wahlversprechen hat er dem Bergwerk Duisburg-Walsum die wasserrechtliche Erlaubnis erteilt. Da musste er zurecht heftige Kritik aus den eigenen Reihen einstecken. Ein anderes Beispiel: Uhlenberg kämpft für Käfigeier aus NRW oder fordert den Einstieg für die Gentechnik in Lebensmitteln. Er will NRW zum Experimentierfeld dafür machen. Wir wissen, dass die große Mehrheit der Bevölkerung das nicht will – und viele Bauern auch nicht.

Bei Themen wie Gentechnik und Energiepolitik kämpfen die Grünen mit der CDU um die „Gummistiefel“-Klientel. Sie haben ja immer gesagt: Energiewirt statt Landwirt.Nicht statt, sondern auch.

Jedenfalls ist was eingeleitet worden unter Rot-Grün. Selbst konservative Bauern aus dem Münsterland beklagen sich, weil sie um die Förderung ihrer Windkraftanlagen bangen.Wir setzen darauf, Energie selbst zu erzeugen, wir wollen weg vom Öl. Da hat sich bei vielen Landwirten was im Denken verändert. Uhlenberg selbst hat ja eine Windkraftanlage auf seinem Hof stehen. Die genießt Bestandsschutz und von den Einspeisevergütungen für die Anlage hat er seit 1998 profitiert.

Damit könnte nach der Bundestagswahl Schluss sein, wenn Schwarz-Gelb tatsächlich gegen die Windenergie vorgeht.Ein Windenergieunternehmer hat mir im Wittgensteiner Land gesagt, dass er wegen der Unsicherheit vor der Wahl Investitionen in Höhe von 25 Millionen Euro zurückhält. Das ist eine verheerende Politik, die sich da ankündigt. Sie gefährdet tausende von Arbeitsplätzen. Mittlerweile geht mehr als doppelt so viel Stahl in Windkraftanlagen als in die Werftindustrie.

Wenn der anti-ökologische Rollback Arbeitsplätze vernichtet – wieso wird die CDU dann gewählt, gerade auf dem Land?Es wird die Vorstellung vermittelt, CDU und FDP könnten besser mit der Wirtschaft. Davon erhofft man sich dann neue Arbeitsplätze. Real ist, dass es gerade schwarz-gelbe Politiker wie Lambsdorff, Möllemann oder Holger Pfahls tatsächlich zu gut mit der Wirtschaft konnten. Pfahls bekam Millionen von der Wirtschaft zugeschanzt, flüchtet jahrelang und bekommt gerade mal schlappe zwei Jahre aufgebrummt. Aber darüber wird in der Öffentlichkeit viel zu wenig gesprochen.

Warum?Es ist doch ein Wert an sich, dass es solche Fälle unter Rot-Grün nicht gegeben hat.

Im NRW-Wahlkampf war statt dessen davon die Rede, dass Sie angeblich nicht gut mit der Wirtschaft können.

Wir müssen leider feststellen, dass alte Vorurteile langlebig sind. Etwa bei diesem lächerlichen Streitthema Hamster gegen Kraftwerk. Da war nichts dran, es gab nicht einen Tag Verzögerung.

Warum haben Sie sich nicht härter gewehrt?Obwohl wir eine vollkommen andere Politik gemacht haben mit sehr kurzen Genehmigungszeiten, ist das schwer rüberzubringen, weil es vielen nicht ins Schema passt.

Auch dem Ex-Koalitionspartner in NRW nicht?Dass diese Kampagne gegen die Grünen gezogen hat, hatte auch mit der SPD zu tun. Der eigene Koalitionspartner hat, um von eigenen Versäumnissen abzulenken, jahrelang suggeriert, die Grünen seien Bremser. Damit hat sich die SPD letztlich selbst eine Falle gestellt. Für die CDU war es die Vorlage, die Grünen zu schlagen, um die SPD zu treffen, die sich angeblich zu viel von ihrem Bündnispartner gefallen lassen würde.

Ist die SPD überhaupt noch ein Wunschpartner bei der Bundestagswahl?Die Bundes-SPD ist etwas anderes als die NRW-SPD.

Eine bessere SPD?Zumindest eine SPD, die immer auf Rot-Grün gesetzt hat. Für die NRW-SPD sind wir ein Trauma, weil wir ihnen 1995 die absolute Mehrheit abgenommen haben. Mit der Bundes-SPD sind wir 1998 zusammen aus der Opposition an die Regierung gewählt worden. Bei meiner ersten Rede im Bundestag habe ich Applaus bekommen von der SPD-Fraktion. Das kannte ich damals aus dem Landtag gar nicht.

Sie kämpfen also für Rot-Grün?Wir machen einen Wahlkampf Grün Pur. Und wir haben auch auf Bundesebene Kritik an der SPD. Es ist ja schon absurd, dass Leute wie SPD-Wirtschaftsminister Wolfgang Clement, der die fehlerhafte Umsetzung der Arbeitsmarktreform zu verantworten hat, nun die große Koalition propagiert. Dabei würde sich die SPD an der Seite der CDU noch tiefer in die Krise stürzen. Die faulsten Kompromisse, die die Bevölkerung am meisten kritisiert, hat die SPD im Vermittlungsausschuss mit der CDU gemacht. Beispiele sind die Praxisgebühr und die Senkung des Spitzensteuersatzes.

Mal abgesehen von der SPD, was haben die Grünen in NRW falsch gemacht?Ich habe ja gesagt, wir haben kein Rezept gefunden gegen eingefleischte Vorurteile. Dass wir keine wirtschaftsfeindliche Politik gemacht haben, sondern Umwelt und Arbeit verbunden haben, ist nicht gut genug rübergekommen.

Also wieder einmal nur ein Vermittlungsproblem? Linke Kritiker innerhalb der Grünen werfen Ihnen vor, dass grüne Themen wie Antiatom zwischen 1995 und 2005 nur eine kleine Rolle spielten. Die selben Kritiker wundern sich nun, dass Sie nach dem Machtverlust wieder auf Antiatom-Demos wie unlängst in Ahaus gehen.Man muss in der Regierung Kompromisse machen. Das gängige Bild der NRW-Grünen war aber doch gerade, dass wir in der Regierung hartnäckig für unsere Themen gestritten haben. Nur eines der Vorurteile kann stimmen.

Gibt es einen Rollenwechsel in der Opposition?Was heißt Rollenwechsel? Ich glaube, dass die Grünen auf Bundesebene mit dem Atomkonsens viel erreicht haben. Weil Ahaus und Gronau in dem Konsens nicht geregelt waren, gab es Probleme. Aber wir haben erreicht, dass die Zwischenlager eingerichtet wurden. Damit haben wir den Ahausern viele Atomtransporte erspart. Wenn man jetzt aus der Opposition heraus eine andere Arbeit macht, dann finde ich es logisch...

...dass man sich wieder auf die Straße stellt?Wenn es sinnvoll ist, auch das. Ich habe sowohl als Ministerin wie auch danach Kontakt mit der Bürgerinitiative gehalten. Vor dem letzten Castortransport bin ich zu den Initiativen gefahren und habe gefragt: Was können wir gemeinsam machen? Als Ministerin hatte ich zugesagt, gegen diesen Transport zu demonstrieren. Als der Transport dann kam, habe ich das auch gemacht. Viele aus Ahaus haben mir gesagt, sie fanden gut, dass ich da war.

Haben Sie mehr Spaß an der Oppositionsarbeit?Es kommt darauf an, da was Gutes zu leisten, wo man hingestellt wird. Wenn ich in den Bundestag gewählt,versuche ich auch dort gute Arbeit zu machen.

In welcher Funktion?Ich strebe nicht den Fraktionsvorsitz an. Aber ich kann gut Erfahrungen einbringen, etwa im Verbraucherschutz oder Energiebereich.

Verstehen Sie das eigentlich, dass Sie jetzt Bundestagswahlkampf machen müssen?Es hätte sicher Alternativen dazu gegeben. Es wäre die politisch klarere Alternative gewesen, wenn Rot-Grün bis 2006 weitergemacht und sich faulen Kompromissen im Bundesrat widersetzt hätte. Das wäre mir sympathischer gewesen. Aber Schröder und die SPD wollten Neuwahlen.

Im Bundestag dürften Sie es mit der Linkspartei.PDS zu tun haben. Ist die Gründung des Linksbündnisses eine Niederlage der Grünen?Es gibt sicher auch Grünen-Wähler, die überlegen, dieser Partei ihre Stimme zu geben. Ich glaube aber, dass eine weiterhin rückwärtsgewandte PDS und ein Oskar de Luxe zunehmend grüne Wähler abschrecken.

Also keine Gefahr von links für die Grünen?Trotzdem müssen wir uns auch mit deren Positionen auseinandersetzen. Auch wir wollen Verteilungsgerechtigkeit und eine stärkere Besteuerung großer Einkommen, aber kein Zurück zum heute unbezahlbaren Sozialstaat der 70er und 80er Jahre. Themen wie Generationengerechtigkeit kommen bei der PDS gar nicht vor. Und was Oskar Lafontaine etwa zum Thema Folter gesagt hat, wird keinen Grünen-Wähler ansprechen.

Mit der PDS wollen Sie nicht zusammenarbeiten. Was ist mit der CDU? Sie haben überraschend viele Gemeinsamkeiten mit Unions-Kanzlerkandidatin Angela Merkel.So?

Die gleiche Generation, beide Naturwissenschaftlerinnen, beide Spitzenkandidatinnen ihrer Parteien, Frau Merkel im Bund, Sie in NRW...Und sie war Bundesumweltministerin, als ich Landesumweltministerin wurde.

Sehen Sie.Ja, das eine ist die Biographie, das andere ist die politische Position. Da gibt es viele Unterschiede.