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Archiv-Artikel

Loden-Kalle und der liebe Gott

Van Gaal widerruft in einer göttlichen Debatte, sich je zum Gott gemacht zu haben

Ob Louis van Gaal in der letzten Woche einen Anruf vom Heiligen Stuhl aus Rom erhalten hat, ist unklar. Der sympathische Niederländer hat dies in der ihm eigenen Diskretion nämlich nicht verraten. Doch möglich ist es schon, dass sich ein Adlatus des Heiligen Vaters bemüßigt fühlte, einmal beim neuen Mann auf der Münchner Bank vorzufühlen. Wie anders ist es zu erklären, dass van Gaal unter der Woche und ohne Vorwarnung erklärte: „Wenn ich Gott wäre, würde ich alles gewinnen. Ich bin kein Gott, ich bin nur ein Trainer, der hart arbeitet und sich viel um die Spieler kümmert.“

Das klang geradezu samariterhaft demütig. Und passte partout nicht zum großen Meister aus Holland, der wegen seiner rigorosen Strenge zwar stets als der Vorzeige-Calvinist hingestellt wird, doch der in Wahrheit Katholik ist und deshalb natürlich in den Zuständigkeitsbereich des Vatikans fällt.

Vielleicht war es ja die Angst vorm Fegefeuer, die ihm widerrufen ließ, denn in der Heimat des Papstes sind solche Scherze nicht billig zu haben. Oder die Erkenntnis, dass die bayrische Dreifaltigkeit „Beckenbauer, Rummenigge, Hoeneß“ mitunter verschnupft auf quasi norddeutsche Blasphemiker reagiert. Wie dem auch sei, van Gaal kroch zu Kreuze. Denn seit Tagen geisterte eine Aussage von ihm durch die Republik, die er vor versammelter Mannschaft in der Kabine getan haben soll: „Ich bin wie Gott. Ich werde nie krank und ich habe immer Recht.“ Wenn dem so war, dann hat van Gaal diese Äußerungen wenigstens mit der gebotenen Überzeugung vorgetragen, ganz anders als ehedem der Europameister Hans-Hubert Vogts, der lamentierte, seine Kritiker würden meinen, er könne nicht mal schwimmen, wenn er übers Wasser laufe. Ganz nebenbei verblüffte van Gaal in seiner Einlassung. Er hat nämlich nicht gesagt: „Ich bin nicht Gott.“ Sondern: „Ich bin kein Gott“, was die Exegeten van Gaals als ein geheimes Bekenntnis zum Polytheismus werten können, zumindest aber als eine kleine Sympathiebekundung für die Bigotterie. Wie dem auch sei, in München hat er sich prächtig eingelebt. In Lederhose machte er, wie von Uli Hoeneß angekündigt, eine prima Figur, erste Berührungen mit der vom Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge so geschätzten Lodenmode stehen allerdings noch bevor. Van Gaal scheut auch hier kein Experiment, was den Großkopferten in München gut gefällt. Loden-Kalle herrschte zuletzt jedenfalls die Mannschaft und nicht den Trainer an, als in Bordeaux der Ball in die falsche Richtung rollte, was van Gaal in seinem privaten Glaubensbekenntnis bestätigt haben dürfte: Du sollst keine Trainer neben mir haben.