: „Mehr radioaktive Strahlung ist nicht tragbar“
Deutsche, Österreicher und Tschechen kämpfen gegen ein Atommüll-Zwischenlager in der Nähe von Temelín
PRAG taz ■ Das tschechische Kernkraftwerk Temelín erregt die Gemüter auf beiden Seiten des Böhmerwaldes: Fünf Jahre nach Start der ersten Kettenreaktion streiten sich die Befürworter des Meilers mit den tschechischen, österreichischen und deutschen Gegnern über ein atomares Zwischenlager. Es soll in der Nähe der Reaktorblöcke entstehen.
Dort sollen ab 2013 dann 1.370 Tonnen Uran aus den verbrauchten Brennstäben des AKWs lagern – bis Tschechien ein unterirdisches Endlager für Atommüll geschaffen hat. Das wird allerdings nicht vor dem Jahre 2065 erwartet. Mit den strahlenden Zukunftsaussichten wollen sich vor allem Temelíns österreichische und deutsche Nachbarn nicht abfinden.
„Zusammen mit unseren bayerischen Kollegen haben wir mehr als 25.000 Unterschriften gegen das geplante Zwischenlager gesammelt,“ sagt Bernard Riepel von der österreichischen Umweltorganisation AtomStopp. Er und andere AKW-Gegner glauben nicht daran, dass der Abfall aus Temelín eines Tages woanders gelagert wird. In Südböhmen hat eine Petition dortiger Kernkraftgegner, wie der „Südböhmischen Mütter“, erst 1.600 Unterschriften gegen das Zwischenlager erhalten.
Das hänge vor allem damit zusammen, dass die Leute der Temelín-Diskussion müde sind, glaubt die Vorsitzende der Südböhmischen Mütter, Dana Kuchtová. Sie hält das geplante Zwischenlager für inakzeptabel. „Das Kernkraftwerk Temelín an sich ist eine Bedrohung für die Region“, sagt Kuchtová. Außerdem befinde sich in der Nähe des AKWs schon eine Kläranlage zur Verarbeitung von Uranerz. Eine weitere atomare Anlage, die die Bewohner dieser Gegend weiterer radioaktiver Strahlung aussetzen würde, „sei einfach nicht mehr tragbar“.
Das seien alles unsinnige Befürchtungen, glaubt indes der Leiter des Zwischenlager-Projekts, Jan Coufal. „Der Umwelteinfluss dieses Zwischenlagers kann als vernachlässigbar beziehungsweise akzeptabel eingestuft werden.“ Dann fügt er noch hinzu: „Ich würde mich nicht davor fürchten.“
Wer von beiden Recht behält, soll das tschechische Umweltministerium bestimmen. Denn erst wenn die Umweltverträglichkeit des Zwischenlagers feststeht, darf mit dem Bau begonnen werden. Allerdings rechnet niemand damit, dass die Umweltverträglichkeitsprüfung negativ ausfallen wird.
Bis es so weit ist – mit dem Baubeginn wird frühestens 2010 gerechnet –, lagern ausgebrannte Reaktorstäbe in einem Becken innerhalb des AKW. Viele Bewohner Temelíns und seiner Umgebung sähen es gerne, dass dies so bliebe. Sie fürchten vor allem, dass ein oberirdisches Uran-Zwischenlager die Immobilienpreise in seiner Nähe noch weiter in den Keller treibt. ULRIKE BRAUN