: Zusatzrenditen für die Stromkonzerne
Die Versorger begründen ihre Preispolitik auch mit dem Wert der Emissionszertifikate. Das mag Politik und Verbraucher ärgern. Doch die Firmen folgen den Gesetzen der Wirtschaft. Und profitieren von mangelnder Transparenz auf dem deutschen Markt
VON BERNWARD JANZING
„Mit Merkel wird’s teuer“, betitelte die Energieexpertin der Grünen, Michaele Hustedt, gestern ein umfassendes Papier zu den Energiepreisen in Deutschland. So belaste die von der CDU geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer den Durchschnittshaushalt alleine bei Strom, Heizöl und Benzin mit 75 Euro im Jahr. Gleichzeitig warf Hustedt den Stromkonzernen „Missbrauch ihrer Marktmacht“ vor. Unter anderem kritisierte sie die Unternehmen, die steigende Strompreise wiederholt mit dem hohen Preis der Emissionszertifikate begründet hatten. Dabei waren diese den Unternehmen kostenlos zugeteilt worden.
Was Hustedt allerdings nicht erwähnte: So groß die Marktmacht der Stromkonzerne auch ist, die enge Kopplung von Strompreis und CO2-Zertifikaten folgt schlicht ökonomischer Logik. In dem Moment, wo die Emissionsrechte einen monetären Wert besitzen, muss deren Preis nach ökonomischen Gesetzen auf den Strompreis durchschlagen. Opportunitätskosten nennt das die Wissenschaft.
Denn jede Firma rechnet so: Entweder sie erzeugt Strom und erzielt mit dem Verkauf einen bestimmten Gewinn. Oder sie verkauft statt dessen die Emissionsrechte. Sobald der Erlös durch den Verkauf der Zertifikate größer ist als die Marge beim Stromverkauf, wird jedes Unternehmen sich für den Verkauf der Zertifikate entscheiden.
In einem funktionierenden Markt gleichen sich daher die Preise an: Die Marge beim Verkauf einer Kilowattstunde Strom steigt zwangsläufig so weit, bis sie dem Preis der erforderlichen Emissionszertifikate entspricht. Ob die Rechte zuvor kostenlos zugeteilt wurden oder nicht, spielt dabei keine Rolle.
So erzielen die Stromkonzerne durch die kostenlose Zuteilung der Emissionsrechte erhebliche Zusatzrenditen. Einige Ökonomen bewerten die kostenlose Zuteilung der Zertifikate daher längst als unzulässige staatliche Beihilfe und fordern künftig einen Verkauf der Zertifikate durch den Staat. Der könnte die Zusatzeinnahmen dann auf anderem Wege wieder an die Bürger zurückgeben, was die Konzerne, die bei der jetzigen Konstellation profitieren, nicht tun.
Dass die Energieversorger aufgrund dieser für sie sehr attraktiven Rahmenbedingungen nun am Markt versuchen, die Zertifikatspreise in die Höhe zu treiben, liegt auf der Hand. Zumal sie eine starke Marktposition haben: Von den 12.000 Anlagen, die unter den europäischen Emissionshandel fallen, sind 54 Prozent der Energiewirtschaft zuzuordnen.
Hinzu kommt, dass Mauscheleien in Deutschland recht einfach sind, weil hier der Strommarkt – und damit gekoppelt der Zertifikatemarkt – äußerst intransparent ist. Während in Deutschland aktuelle Marktdaten von den Stromkonzernen wie Herrschaftswissen behandelt werden, unterliegen zum Beispiel in Skandinavien die Stromerzeuger strengen Publizitätspflichten. Wenn in Nordeuropa ein Kraftwerk plötzlich ausfällt, müssen alle marktrelevanten Informationen, wie etwa die erwartete Dauer des Stillstands, sofort auf der Internetseite der Strombörse Nordpool veröffentlich werden. Zudem sind Importe und Exporte, Last- und Verbrauchsdaten der einzelnen Länder stets in Echtzeit verfügbar. Unabhängige deutsche Stromhändler können von so viel Transparenz nur träumen.