: Gegenseitiges Misstrauen
Es gibt weiter Streit um den irakischen Verfassungsentwurf. Die geplante Dezentralisierung stößt auf Widerstand
ERBIL taz ■ Schon zu Zeiten, als sie noch im Untergrund oder im Exil gegen das Saddam-Regime kämpften, gab es zwischen den irakischen Fraktionen in vielen Fragen keinen Konsens. In einem Punkt bestand jedoch Einigkeit: dass der Irak eine föderale Staatsordnung erhält. Nach dem Sturz der Diktatur wurde das auch in der Interimsverfassung vom März 2004 festgeschrieben.
Die Dezentralisierung sollte der Schlüssel sein für eine friedliche Lösung der latenten Konflikte zwischen den ethnischen und religiösen Gemeinschaften. Im Streit um die künftige Verfassung droht jetzt genau das Gegenteil.
Der bisher vorliegende Entwurf sieht eine weitgehende Autonomie für alle 18 Provinzen vor. Statt von Bundesstaaten, wie es die Kurden gefordert haben, ist in dem Entwurf zwar nur von Regionen die Rede. Doch können sich eine oder mehrere Provinzen zu einer Region zusammenschließen und die Regionen können wiederum eine Art Superregion bilden. Damit steht den Schiiten der Weg offen zur Gründung eines Teilstaates im Süden und die Kurden halten sich damit eine Tür offen, Kirkuk in ihren Teilstaat zu überführen.
Es ist vor allem ein befürchteter schiitischer Teilstaat unter iranischem Einfluss, gegen den die arabischen Sunniten Sturm laufen. Ihre Vertreter fürchten eine Abspaltung der Schiiten, was den Verlust der größten Erdölvorkommen bedeuten würde. Der jetzige Entwurf sieht vor, dass die Zentral- und Regionalregierungen gemeinsam über Ölförderung und -einnahmen entscheiden. Ein Kompromissvorschlag fordert, dass die Schiiten auf einen eigenen Teilstaat fürs Erste verzichten. Bislang ist die schiitische Seite wenig geneigt, sich der ehemaligen Staatselite zu unterwerfen.
Darüber hinaus ist den Sunniten der Passus über das Verbot der Baath-Partei ein Dorn im Auge. Die „Saddamistische Baath-Partei“ wird dabei in einem Atemzug mit Organisationen verboten, die Rassismus, Terrorismus, religiösen Hass und ethnische Säuberungen propagieren. Während die Formulierung einigen Schiiten nicht scharf genug ist, sehen Sunniten darin das Bestreben, ihre Vertreter künftig vom politischen Leben auszuschließen. INGA ROGG