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Archiv-Artikel

Polizei sorgt sich um NPD

Großrazzia gegen Linke: 300 Polizisten durchsuchen eine Kneipe, ein Archiv sowie Wohnungen. Begründung: Antifas belohnen Partygäste, die NPD-Plakate abreißen, mit einem Gratiscocktail

VON JÖRG MEYER

Bei einer Großrazzia am Samstagabend haben etwa 300 Polizeibeamte in Kreuzberg, Mitte und Wedding sieben Objekte durchsucht. Gegen 21.30 Uhr stürmten Beamte das Kneipenkollektiv „Subversiv“ in der Brunnenstraße, riegelten den Hof ab und lösten eine Party auf. Wenig später drangen Einsatzkräfte in zwei Privatwohnungen ein und durchsuchten zeitgleich einen linken Stadtteilladen, in dem die Antifaschistische Linke Berlin (ALB) ihren Versand „Red Stuff“ beherbergt. Auch das Antifaschistische Pressearchiv (Apabiz) in der Lausitzer Straße und zwei Bürogemeinschaften waren von den Razzien betroffen.

Die Großrazzia richte sich gegen Personen, die öffentlich zu Straftaten aufgerufen hätten, begründete gestern ein Polizeisprecher die nächtliche Aktion. Angehörige der linken Szene hätten sowohl im Internet als auch auf einer Antifa-Party für jedes mitgebrachte NPD-Plakat einen Gratiscocktail in Aussicht gestellt. Die ALB hatte die Einladung für die Party im „Subversiv“ auf ihre Website gestellt. Daher waren ihre Angehörigen am stärksten von der Großrazzia betroffen.

Die Polizei sei „massiv, aber einigermaßen friedlich“ vorgegangen, berichtet ein Augenzeuge, der auf der Party in der Brunnenstraße war. Alle Gästen hätten ihre Personalien angeben müssen und wurden fotografiert. Entgegen Augenzeugenberichten von zwei Festnahmen behauptet die Polizei, dass auf der Party niemand festgenommen wurde. Die Polizei hat jedoch sechs Strafanzeigen wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittel-, das Waffen- und das Versammlungsgesetz erstattet. In der Nähe der Kneipe versammelten sich nach Polizeiangaben daraufhin 100 Personen zu einer Spontandemo, die aber nicht stattfand.

Insgesamt beschlagnahmte die Polizei sieben Computer, über 200 CDs, mobile Festplatten und zahlreiche Unterlagen, die mit der NPD gar nichts zu tun haben, berichtet ein ALB-Vertreter. Ein Büro wurde nur deswegen durchsucht, weil an der Tür ein Aufkleber von Red Stuff klebte. Das habe die Polizei offensichtlich zum Anlass genommen, auch ohne Durchsuchungsbefehl dort vorbeizuschauen, vermutet der Nutzer des Büros.

Verhältnismäßig sei das jedenfalls nicht gewesen, bestätigt Rechtsanwalt Daniel Wölky, der bei der Durchsuchung des Ladens anwesend war. In einer Privatwohnung sei das SEK mit der Waffe im Anschlag eingedrungen, berichtet Wölky.

Einschüchtern lassen will sich die ALB von den Durchsuchungen nicht. In einer Erklärung verurteilte Berlins größte Antifa-Gruppe das „brutale Vorgehen der Polizei“ und wertete die Großrazzia als „aktive Wahlkampfunterstützung für die NPD“. Ein ALB-Vertreter kündigte an, die Aktion gegen NPD-Plakate auszuweiten. Er würde sich von der Polizei nicht verbieten lassen, gegen „rassistische Hetze“ vorzugehen. Noch vor den Bundestagswahlen werde es eine große Galaveranstaltung geben, zu der erneut dazu aufgerufen wird, Plakate und Flugblätter der NPD zu entfernen. Für jedes mitgebrachte Plakat winkt zur Belohnung ein Cocktail.