: Struck nimmt Abschied von Usbekistan
Der Minister besucht heute die deutschen Soldaten in Afghanistan und dem nördlichen Nachbarland. Drei Monate schwieg die Bundesregierung zur blutigen Niederschlagung des usbekischen Volksaufstands, jetzt prüft Struck den Abzug der Bundeswehr
VON MARCUS BENSMANN
Gestern Abend ist Bundesverteidigungsminister Peter Struck (SPD) zu einem Tagestrip in den Norden Afghanistans aufgebrochen. Der Minister wird am heutigen Montag die knapp 400 Soldaten der Provinzwiederaufbauteams, PTR, in den im nördlichen Afghanistan gelegenen Faisabad und Kundus besuchen und über den Luftwaffenstützpunkt im usbekischen Termes zurück nach Deutschland fliegen.
„Mit Hilfe der PTR-Teams werden in Afghanistan Sicherheitsinseln errichtet, die dann auf das ganze Land ausstrahlen“, sagte Struck vor seinem Abflug. Bei dem Kurzbesuch der Truppe sind keine Treffen mit Politikern vorgesehen. Bisher verrichten in Afghanistan 2.200 Bundeswehrsoldaten ihren Dienst, der Großteil ist in der afghanischen Hauptstadt Kabul stationiert. Im Oktober, wenn die Mandatsverlängerung des Afghanistaneinsatzes ansteht, will Struck die Obergrenze jedoch auf 3.000 Soldaten erweitern, um in weiteren Provinzen aktiv sein zu können. In Afghanistan wird am 18. September ein Parlament gewählt.
Die Bundeswehr habe einen unschätzbaren Wert für die Stabilisierung der schwierigen Lage in Afghanistan und den Schutz des zivilen Aufbaus, sagte Struck vergangene Woche. Jedoch erklären viele Hilfsorganisationen wie etwa Cap Anamur, der Beitrag der Bundeswehr drohe den zivilen Charakter ihrer Arbeit zu gefährden.
Die aktive Drogenbekämpfung in Afghanistan gehöre nicht zu den Aufgaben der Bundeswehr, erklärte Struck. Im Jahre 2004 betrug die Opiumproduktion des Landes 4.200 Tonnen – mehr als 90 Prozent des weltweit produzierten Rohopiums. Ausgedehnte Mohnfelder liegen in Faisabad und in der Nähe von Kundus, zudem geht ein Großteil des Drogentransfers über die nördliche Grenze in die zentralasiatischen Staaten.
In diesem Jahr werden zudem die russischen Grenztruppen die Verantwortung für die Grenzsicherung an der tadschikisch-afghanischen Grenze abgeben. Dies wird nach Einschätzung internationaler Experten zu einem Anstieg des Schmuggels nach Tadschikistan in unmittelbarer Nähe der deutschen Stützpunkte führen.
Opium und das in Labors hergestellte Heroin sind der Schmierstoff für die widerspenstigen Warlords im Norden Afghanistans, die neben den wiedererstarkten Taliban im Süden des Landes die Stabilität der Kabuler Regierung bedrohen. Sollte die Bundeswehr gegen den Drogenanbau und Schmuggel massiv vorgehen, würde dies zu einem bewaffneten Konflikt mit den lokalen Machthabern führen. Bisher starben bei Unfällen und Anschlägen sechzehn Bundeswehrsoldaten in Afghanistan.
Der Verbleib der Bundeswehr auf dem Luftwaffenumschlagplatz im usbekischen Termes steht nach Aussagen von Struck in Frage. Am Dienstag hatte Struck auf einer Veranstaltung in Düsseldorf erklärt, dass er bereits über Alternativen zu Termes nachdenke. „Da sind wir schon in der Prüfung“, sagte er. Bisher galt bei der Bundeswehr die Militärbasis in Usbekistan als alternativlos für die logistische Versorgung der Bundeswehr in Afghanistan.
Usbekistan war nach einem Massaker im Mai international in die Kritik geraten. In der Provinzstadt Andischan hatten Truppen des Innenministeriums einen Volksaufstand blutig niedergeschlagen und nach Schätzungen von Human Rights Watch bis zu 800 Menschen getötet.
Die USA wurden Ende Juli von der usbekischen Regierung beschieden, innerhalb von sechs Monaten ihren Stützpunkt in Karschi zu räumen, da die USA das Vorgehen der usbekischen Regierung kritisiert und die humanitäre Evakuierung von 439 usbekischen Flüchtlingen aus Kirgisien gegen den Willen der usbekischen Regierung unterstützt hatten.
Die Bundesrepublik enthielt sich bisher einer deutlichen Kritik an dem usbekischen Vorgehen und übergab noch Anfang August Sanitätsmaterial an das usbekische Militär. Weder wurde der usbekische Botschafter in Berlin einbestellt, noch verurteilte der Deutsche Bundestag das Massaker. Die usbekische Regierung zeigte sich über die neuerlichen Aussagen des deutschen Verteidigungsministers daher überrascht.